Ich hör dir zu, erzähl, erzähl!

Diese freundliche Aufforderung, und auch Versicherung, die zudem in eine rhythmisch ansprechende Form gebracht war, hörte ich heute am U-Bahn-Aufgang Mierendorffplatz in Berlin-Charlottenburg, eine junge Frau sprach sie ins Handy.
Ich war in der Gegend, um einen Wohnungsschlüssel in Empfang zu nehmen, eine Freundin hatte mich eingeladen, für einen Monat eine „Stadt-Residenz” zu beziehen. Anders als beim vorigen Mal gibt es keinen Wald von Tomatenpflanzen auf dem Balkon, der zu tränken ist, nur eine Zimmerorchidee (braucht nicht viel) und eine Art Wassergras, das an japanische Holzschnitte und Haikus erinnert; ist aber nicht japanisch.
Ich habe mir noch nicht genau überlegt, wie ich’s mache. Zerrissenheit vermeiden, oder begrenzen!

Rosalías El Mal Querer und Motomami höre ich, wie ich ein Jazzalbum oder ein Streichquartett anhören würde: in der von ihr vorgesehenen Reihenfolge, von A nach Z. Warum der Kritiker von AllMusic, Thom Jurek, dem ersten Album (nur) vier Sterne und dem zweiten viereinhalb Sterne gibt (von fünf), ist mir nicht klar, hat aber seine Folgerichtigkeit, denn das Debüt, Los Ángeles, ist mit dreieinhalb Sternen bewertet – eine steigende Kurve.
El Mal Querer erzählt eine zusammenhängende Geschichte in elf Kapiteln. Motomami ist so kunstvoll gemixt, dass es in einem gehört werden will, ungefähr wie die zweite Seite von Abbey Road.
Beides sind, auf ihre Art, Konzeptalben. Das finde ich einen überraschenden Ansatz für eine Popmusikerin, die ihr dreißigstes Lebensjahr noch nicht erreicht hat.

Rosalía (oder Dua Lipa 🙂 ) zu hören zähle ich zu den Lichtblicken in diesem Jahr, das sich sonst düster anlässt. (Eine gute Freundin von mir ist seit Wochen krank, jetzt gehe es ihr allmählich besser, „nur Atmung und Gedächtnis lassen noch zu wünschen übrig”: So Sachen kommen hinzu.)
Es fällt mir schwer, bei all dem Bedrückenden, das um uns ist, den inneren Raum herzustellen, den es braucht, um zum Beispiel arbeiten zu können.
Politische Fehlentscheidungen gegen besseres Wissen, wie die Freigabe eines Ölbohrfeldes vor Neufundland, das dann über Jahrzehnte hin ausgebeutet werden und unfehlbar die Erderhitzung weiter beschleunigen wird, machen mich rasend. (Angeblich sind die Umweltschutzauflagen bei diesem Projekt die härtesten, die Kanada je erlassen hat, so Justin Trudeau.)
Andererseits gibt es Persönlichkeiten wie Tony Rinaudo, über den Volker Schlöndorff den Film Der Waldmacher gedreht hat – jetzt in den Kinos -, die Hoffnung machen, dass der Selbstmord der Menschheit auf einem zugrundegerichteten Planeten misslingen wird.
Wenn dann noch im Oktober der brasilianische Teufel abgewählt werden sollte, werde ich vielleicht wieder gnädiger auf die Zeitläufte blicken. (Der chinesische, russische, syrische und der nordkoreanische Diktator – sicher habe ich ein paar vergessen – sind leider putzmunter und können noch viel kaputtmachen.)

[Hier war ein Video: Hard Balance des Marta Sánchez Quintet – leider gesperrt.]

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