Die Überschrift, zu Deutsch „Clubhaus” oder „Vereinsheim”, habe ich von einem Video eines ca. fünfzigminütigen Auftritts von Eve Risser, Klavier solo, in Łódź, in eben jenem Klub Wytwórnia:
Jazz Connective – Concert Eve Risser solo (11.8.2020).
Eve Risser, französische Pianistin und Komponistin, geboren 1982 in Colmar, auf dem North Sea Jazz Festival in Rotterdam jüngst mit dem Paul Acket Award ausgezeichnet, der jährlich an Musikerinnen und Musiker verliehen wird, die eine größere Anerkennung verdienen.
Ich bin durch das Jazz Podium auf sie aufmerksam geworden.
Der Verlag Philipp Reclam jun. wäre gut beraten gewesen, wenn er der Ausgabe von Une Saison en Enfer. Eine Zeit in der Hölle (erstmals 1970 erschienen) entweder ein neues, aktuelles Nachwort beigegeben hätte – das mittlerweile historische, lies: angestaubte, des Übersetzers Werner Dürrson („Rimbaud und die Hölle”) scheint mir wenig geeignet, den Befund:
„Im übrigen ist Rimbaud, ungeachtet seines seit der Jahrhundertwende ansteigenden Ruhms, der große Fremde geblieben” in eine günstigere Prognose umzukehren. Oder man könnte das Nachwort beibehalten, ihm aber ein weiteres, neues, beiseitestellen. Das Mindeste wäre, eine größere Schrifttype zu wählen. Eine elfseitige Fußnote ist eine Zumutung.
Lobenswert ist, dass Reclam das Bändchen lieferbar hält.
Gut gefällt mir an dem Nachwort die unausgesprochene Anregung, die sogenannten Seherbriefe zu lesen, die Rimbaud im Mai 1871 kurz hintereinander an seinen ehemaligen Lehrer Georges Izambard und an seinen Dichterfreund Paul Demeny schickte. Aber piano piano.
Außerdem habe ich gelernt, dass der große Dieb Bertolt Brecht für sein Stück Im Dickicht der Städte von Anfang der 1920er Jahre den ersten Abschnitt aus Une Saison en Enfer geplündert hat, der in der Übersetzung von K. L. Ammer, 1921, Schlechtes Blut heißt, und bei Dürrson Böses Blut. – Das erste trifft es besser („Mauvais sang” im Original), doch dann ist wieder Dürrson vorzuziehen, wenn er wie folgt übersetzt: „Die Gallier waren die dümmsten Tierschinder und Heckenbrenner ihrer Zeit” – was doch mehr Kawuppdich hat als Ammers: „Die Gallier schlachteten Tiere, verbrannten Kräuter, sie, die Albernsten ihrer Zeit.”
Von solchen Leuten stammt Rimbaud ab, schreibt Rimbaud. Daher: schlechtes Blut.
Hier wieder ein kleines Rätsel aus der Reihe: Wer hat diese Locken auf seiner Glatze gedreht?
„Sein Nicht-mehr-Sprechen ist ein Gesagt-Haben. […] Hören wir schon hinreichend deutlich im Gesagten der Dichtung von Arthur Rimbaud sein Geschwiegenes?”
Leider muss ich feststellen, dass René Char auch nicht besser ist mit seiner Bemerkung, Rimbaud verkörpere die innere Wölbung des Bogens im Dichterischen.
Sonja, die eh schon nicht Caroline Polachek und Weyes Blood (Natalie Mering) auseinanderhalten kann, wird vollends verwirrt sein, wenn sie sieht, dass beide einen Song aus Desire, I Want To Turn Into You (morgen vor einem Jahr ist das Album erschienen) neu aufgenommen haben.
Letzte Woche war ich kurz in meiner Heimatstadt, in der immer mehr Läden dichtmachen. „Nach über 90 Jahren haben wir unser Geschäft dauerhaft geschlossen. Vielen Dank für Ihre Treue!” las ich auf einer blitzblanken Glastür zwei Häuser neben Nederkorn, am Anfang der Hauptstraße. Ein Devotionaliengeschäft hat die Segel gestrichen. – Der Bedarf an Wallfahrtsartikeln ist heutzutage, selbst im Wallfahrtsort Kevelaer, überschaubar, denn die Wallfahrt ist stark zurückgegangen.
Was wird da jetzt hineinkommen?
Auch Der Teefreund neben dem Pfannkuchenhaus Hollandia (dieses wird seit einigen Jahren von einer Familie aus Sri Lanka betrieben) scheint keine Nachfolge gefunden zu haben, und das ist wirklich sehr bedauerlich.
Eine Überraschung war, dass die Umbauarbeiten am Hotel zum Goldenen Apfel bis auf weiteres zum Ruhen gekommen sind, weil der Investor Insolvenz angemeldet hat.
Ich bin kein Stadtplaner, und weiß auch nicht, wie man eine tote Innenstadt wieder flott kriegt. Eine Rückbesinnung darauf, was Kevelaer einmal besuchenswert gemacht hat, könnte nicht schaden. Neben der Wallfahrt war es das Kunsthandwerk, lange her. Auf der Hauptstraße klaffen in großen Schaufenstern große Scheußlichkeiten.
Der EuroShop, Nanu-Nana, Apollo-Optik, Kamps – ist es das, was Kevelaer besonders macht?
Man könnte sich ja auch eine Hauptstraße (und andere Straßen) vorstellen, in der es einen kleinen Lebensmittel- und Haushaltswarenladen gibt, eine handwerkliche Bäckerei, Töpfer, Weber, Gold- und Silberschmiede, Kunsttischler, vielleicht ein Schreib- und Übersetzungsbüro, einen Proberaum … – Eine Freundin meinte allerdings zu mir: Die Kevelaerer wollen nur abschöpfen. – Dann bleibt’s beim Trash.
Mir ist aufgefallen, dass YouTube, das mir bis vor wenigen Tagen immer Videos einschlägiger rechter Politiker unter die Nase hielt – stets in der pole position, noch vor allen anderen Videos, Shorts usw. – dies nun nicht mehr tut. Sehr wohltuend. Doch woran liegt es? Hat sich Google daran erinnert, dass es Verantwortung trägt? Haben lobenswerte Hacker den Algorithmus ausgetrickst? Steckt Jan Böhmermann dahinter?
PS [15.2.2024]. Zum Valentinstag hat Caroline Polachek eine Reihe neuer Songs online gestellt, als Extras zur Wiederauflage ihres Albums von vor einem Jahr: Desire, I Want To Turn Into You, zum Beispiel diesen: