Bewölkt

„Guten Tag! Bevor hier Bomben fallen, hätte ich gern noch einen Haarschnitt. Passt Samstag? Grüße! Ohren steif halten!”
„Hallöle … Samstag arbeite ich nicht mehr ! Nächste Woche ab Mittwoch wäre cool, bin noch unterwegs !”

Friseurtermine werden heute über Signal klargemacht.

Mir sind die französischen Ausrufungszeichen aufgefallen, mit der Leerstelle davor, dabei ist sie eine Berliner Pflanze –

Am Toreingang seitlich eine blitzneue Klingel, vom übrigen Klingelfeld etwas abgesetzt: Yvette. Ich schellte, die Tür ging auf. Yvette lenkte mich durch den leergeräumten Salon in einen rückwärtigen Raum, ihren auf zwei Frisierplätze verkleinerten Laden. Ein wandgroßes Farbfoto (Wald), zwei rosa Waschbecken, Haarschneidebesteck, Capes. Den Mantel hängte ich an der Garderobe im Durchgang auf. Keine Haftung, aber außer einem Grüppchen Nachbarn, die auf einer Seite des Vorderzimmers in einem tischlosen Kreis saßen und miteinander plauderten und flachsten, war niemand da und kam keiner rein, war ja auch schon sieben. Der Cut wie immer tadellos, die politischen Ansichten beherzt („an die Wand stellen”, „Dritter Weltkrieg”, die Sorge, andere Länder könnten im Schatten der Schweinerei eigene Schweinereien veranstalten). Ich zahlte fünfzehn Euro und gab ihr erst den Zehn-Euro-Schein, zwinkernd: stimmt so. Sie verabschiedete sich, nahm Bestellungen für den Pizzaservice auf.
Ich gehe seit Jahren zu Yvette, auch wenn ich längst nicht mehr in Moabit wohne.
Ich bin eine treue Tomate.

Der russische Überfall auf die Ukraine am 24. Februar – wohin soll, wohin wird das führen? Unstrittig scheint mir, dass ‚der Westen‘ auf diesen Angriff reagieren muss. Wie eine ‚richtige‘ Reaktion auszusehen hätte, lässt sich vermutlich nicht beantworten. Jede Bewegung wird falsch sein. Es ist immer gefährlich, wenn der Gegner eine narzisstische Persönlichkeit ist (erweiterter Selbstmord nicht ausgeschlossen; bei den anzusetzenden Opferverhältnissen eine unzulängliche Formulierung). Das Beste schiene mir, wenn sich im Land selbst eine Opposition bilden würde: Die Friedensdemonstrationen mit Zehntausenden von Teilnehmern – man wünschte sie sich auch in Sankt Petersburg und Moskau. Aber wegen Androhung und Durchsetzung von Geld- oder Gefängnisstrafen verstehe ich, dass der Protest nicht so stark ist wie bei uns, die wir im Warmen sitzen. Außerdem, verlässliche Informationskanäle wurden gekappt. (Die irregeleiteten Schafsköpfe, die hierzulande über die sogenannten ‚Mainstreammedien‘ quengeln – neben all dem anderen, das sie benörgeln und anfeinden -, könnten ihre Aufmerksamkeit einmal auf die Situation in Russland richten, es wäre sicher eine erhellende Erfahrung.)
Wenn die russische Zivilgesellschaft gestärkt werden kann, sollte dies versucht werden.
Ich wäre auch für einen sofortigen Stop der Öl- und Gasimporte aus Russland, auch wenn das für Deutschland rumpelig werden dürfte. Mit den Einnahmen aus fossilen Energien wird russisches Kriegsgerät finanziert – wer kann das wollen?

Die Entscheidung der Bundesregierung, 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitzustellen, finde ich übrigens richtig. (Ob die Summe gut gewählt ist, kann ich nicht beurteilen.) Wenn sich Deutschland eine Armee hält, sollte sie auch funktionieren.
Ich erinnere allerdings an die Berateraffäre aus Zeiten von Ursula von der Leyen (die auch in ihrem neuen Amt ihre Handydaten löscht, sicher ist sicher).
Wenn Geld fließt, dann muss es eine starke Finanzkontrolle geben. Halsabschneider wie damals Katrin Suder oder Timo Noetzel, die auf Staatskosten Geld scheffeln – und deren Raffgier straflos bleibt -, dürfen keinen Fuß in die Tür kriegen. Auch wundersame Kostenexplosionen (Sanierung der Gorch Fock: aus den veranschlagten 10 Millionen Euro wurden 135 Millionen Euro) müssten ausgeschlossen werden.
Sollte dies nicht gewährleistet werden können, kann man sich das Sondervermögen (die Sonderschulden) sparen.
100 Milliarden für Bildung würde ich ebenfalls befürworten, aber davon ist – noch – keine Rede. Kommt vielleicht noch.

Eine positive Nachricht von heute:

In Deutschland wird gerade eine großangelegte Hilfsaktion für die Menschen in der Ukraine vorbereitet. Laut Bundesverkehrsminister Wissing ist eine so genannte „Schienenbrücke” geplant. Zur Zeit sammele die Deutsche Bahn im ganzen Land Hilfsgüter bei Herstellern und Großhändlern. Die gesammelte Ware werde zu Containerzügen zusammengestellt, die dann in die Ukraine fahren sollen, sagte Wissing der Bild am Sonntag.

rbb info

Letzten Sonntag war ich auf der großen Friedensdemonstration auf der Straße des 17. Juni, habe auch Geld gespendet (nächsten Monat wieder). Heute mache ich nichts, aber nächste, spätestens übernächste Woche nehme ich wahrscheinlich das Angebot meiner Firma wahr, mir ein paar Stunden für soziale Arbeit freizunehmen.

Wie Berliner den Ukrainern helfen können – und was jetzt sinnvoll ist (Der Tagesspiegel, 5.3.2022)

Bald machen wir ein Familientreffen, das erste seit – schätzungsweise – fünf Jahren.
„Norden Süden Westen, zu Hause ist am besten” lautete die betreffende Einladung, die mein Arztbruder herumgeschickt hatte. Ich freue mich, meine Geschwister (nicht alle zehn kommen, aber acht immerhin, einer guckt zu), Neffen und Nichten wiederzusehen – eher eine Seltenheit. Auch Freundinnen und Freunde werde ich treffen, worauf ich mich ebenfalls freue.
Anreise mit dem Zug.
Bei Café Nederkorn am Kapellenplatz in Kevelaer habe ich eine Schwedische Apfeltorte bestellt, die werde ich spendieren, vielleicht auch eine Flasche Fernet-Branca. Meine Brüder trinken eher (wenn Kräuterlikör) Ramazzotti, nicht so mein Geschmack. Fernet-Branca kann man natürlich auch nicht trinken, es sei denn gemischt mit Pampelmusensaft.
Ich fürchte mich ein bisschen davor zu sehen, wie der Kapellenplatz jetzt aussieht. Das alte Kopfsteinpflaster sollte, als ich das letzte Mal zu Besuch war, teilweise entfernt und durch ein rollatorfreundlicheres Material ersetzt werden, auch Linden waren zum Fällen freigegeben worden. Das Eiscafé Europa, in das ich schon als Schüler ging, hat nach Jahrzehnten dauerhaft geschlossen, ebenso das Hotel Zum Goldenen Apfel mit seiner (hoffe ich doch!?) denkmalgeschützten Fassade. Hinter der Fassade wird es sicher brachial umgebaut … Immerhin wird es nicht für einen Tennisplatz abgerissen (nicht nur auf geopolitischem, auch auf architektonischem Gebiet sind Verbrechen zu beklagen). Es kann eigentlich nur ein schrecklicher Anblick sein. Hoffentlich vertreibt es nicht die Dohlen.

PS: Das Video von Kimbra habe ich nachträglich eingefügt. (Einem Kommentar zufolge wurde es in Oaxaca, Mexiko, aufgenommen.) „Woke up in a decent mood, I don’t want to hear the news, turn the volume down. Don’t know if it’s even true, there’s nothing I can do, so turn the volume down” … passt doch ganz gut. Abgesehen von der schönen Melodie, der paradiesischen Landschaft und der erfreulichen Idee von Sommer, die sie transportiert – die Temperatur in Berlin liegt knapp über dem Gefrierpunkt -, finde ich die Schlichtheit des Videos bemerkenswert. Der Kameramann sagt Action, Kimbra sammelt sich einen Moment und fängt an zu singen (den Text hat sie ausgedruckt neben ihrem linken Fuß, schätze ich, das ist okay). Das Mikrophon zweifellos das beste und teuerste, wie es einer professionellen Musikerin angemessen ist, die irgendwann in diesem Jahr ihr viertes Album herausbringen wird. Kimbra ist erst 31 … Die Kleidung, ein weißer Bodysuit, minimalistisch, aber nicht indezent. Unschuld, Schönheit, Verletzlichkeit, Trauer – dies drückt das Video für mich aus. Zum Schluss holt Kimbra tief Luft, als Antwort schüttelt ein Windzug das Grün, dann blickt sie stumm und ohne einen Mucks in die Kamera.

Nachbehandlung

[Bei der Textredaktion war ein kurzer Abschnitt verloren gegangen:]

Raise a glass in a season of ash. Gutes Motto! schrieb ich meiner kritischen Freundin, eine Songzeile aus Cate Le Bon’s Wheel zitierend, dem mit ruhiger Majestät voranschreitenden Schluss-Stück ihres Pompeii-Albums. Sie widersprach: Ein Motto, das von Asche spricht?

In der Buchhandlung kaufte ich mir Marc Degens‘ Selfie ohne Selbst (heute erschienen).
Darin geht es unter anderem um Marc Degens in der literarisierenden, verzerrenden Spiegelung durch den verstorbenen Schriftsteller Michael Rutschky: In seinem dreibändigen Tagebuch-Werk (Mitgeschrieben, 2015, In die neue Zeit, 2017, Gegen Ende, 2019) hatte „Herr Rutschky” (wie er hier meist apostrophiert wird) offenbar wenig wohlwollend über seine Freunde, unter ihnen Marc Degens, geschrieben – was mich zweifeln lässt, ob er ihnen wirklich freund war.
Ich hab noch nicht sehr weit gelesen … Mein erster Eindruck ist, man hätte dem nachsinnenden Buch den (à la) Bernhard’schen Untertitel Eine Irritation beigeben können.
Die Noblesse, mit der Marc Degens einen Verrat protokolliert, ist bemerkenswert, ebenso die traurige Verwunderung dieser Seiten. Niederschrift und Löschung einer Seelenlast.
Übrigens kann ich mich erinnern, wie ich 2017 zur Vorstellung des zweiten Rutschky-Tagebuchbandes mit meinem Chef im Literaturhaus Berlin war, das zu der Zeit noch von Ernest Wichner geleitet wurde. Kurt Scheel, der Rutschky-Freund und nachmalige Herausgeber von Gegen Ende, war da und saß auf dem Podium, im Publikum unter anderen die Kritikerin und Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig, die ich nach Fotos erkannte, ebenso wie ihren Mann. Kurt Scheel habe ich als etwas säuerlich in Bezug auf sein Rutschky-Double in Erinnerung, aber hier galt es, einen Literaturabend zu bestreiten, da war er professionell und gewissermaßen schmerzlos.
Wie ein Schnappschuss ist mir eine kurze Szene nach der Buchvorstellung in Erinnerung geblieben. Kurt Scheel, mein Chef und ich standen einen Moment beisammen, der Verleger, Heinrich von Berenberg, hatte Wein gestiftet, ich dankte Herrn Scheel für den anregenden Abend, er lachte übers Gesicht, seine Augen blitzten, und blitzte nicht auch ein Zahn?
Er schien die Geselligkeit des Abends zu genießen.
War Herr Rutschky eigentlich auch da? Ich kann mich nicht erinnern, ich habe nichts notiert.

„Je me demande bien comment tu as connaissance de ces groupes assez confidentiels. Mystère”, schreibt mir meine Konversationslehrerin aus der Bretagne. Sie frage sich, wie ich an diese Geheimtips komme – das bezog sich auf das Duo Arlt: Ich hatte vorgeschlagen, dass wir ihren Song Oh bagnole besprechen. Er war mir bei Bandcamp vorgeschlagen worden, weil ich vorher eine andere Veröffentlichung des Labels Objet Disque gekauft hatte (Fabio Viscogliosi). Das ist das ganze, simple Geheimnis, ich werde es ihr nächstes Mal verraten.
Freundlicherweise hatte sie ihrerseits einen Musiktip für mich, die Pariser Band Feu! Chatterton.


Das Atomium als Rührbesen

Das Album Pompeii („a jaw-dropping, eyebrow-raising, swoon-inducing record”, wie das Label auf Twitter et passim schreibt (mal kurz den Philologen herauskehren 🙂 ), grob übersetzt: toll, krass, zum Niederknien) von Cate Le Bon traf am Tag der Veröffentlichung selbst ein, gestern, der Paketbote zeigte es mir aber nur her und nahm es wieder mit, weil auf die Sendung aus einer östlichen Ecke der Vereinigten Staaten von Amerika: Brooklyn, New York, eine Zollgebühr fällig wird (4,20 Euro), die er aus Hygienegründen nicht an der Haustür kassieren durfte. Er gab mir bedauernd eine Zustellbenachrichtigung in die Hand („Eine persönliche Zustellung … leider nicht möglich”), auf der auch eine Auslagenpauschale (6,00 Euro) ausgewiesen war, von der ich nicht weiß, wofür sie ist: vielleicht für die Umstände, die mir DHL bereitet, denn ich muss nun zum Zehlendorfer Damm.
Wie geh ich denn da? Ach so, Ernst Thälmann-Straße, dann Karl Marx-Straße in südlicher Richtung, links (Am Fuchsbau), rechts (Meiereifeld), wieder links (Im Kamp), wieder rechts (Blachfeld), et voilà, easy peasy.
New York würde mich übrigens interessieren, klar, auch Neuengland, während mir San Francisco im Grunde schnuppe ist, würde nicht eine Arbeitskollegin da in der Nähe wohnen, Liane, na ja, Oakland, vielleicht doch nicht gleich um die Ecke.

Ich war noch nie in den USA. Vielleicht kommt das noch. Dringender wäre mir England.
(Ich war noch nie in England.)
Dies Spiel: Ich war noch nie in / auf [Land / Insel] ließe sich beliebig fortsetzen. Ich bin nicht so häuslich wie Kant, aber. Das hat auch mit dem Bewusstsein zu tun, dass der Mensch, sobald er sich fortbewegt, Schaden anrichtet. Touristen zerstören, was sie zu sehen wünschen: Binsenweisheit.
Pompeii – welche Untergänge haben wir zu gewärtigen?

Einlegekarte zu Das erzählerische Gesamtwerk von Denis Diderot. Vier Bände. Herausgegeben von Hans Hinterhäuser. Übertragen von Hans Hinterhäuser, Guido Meister und Raimund Rütten. Propyläen Verlag, Berlin 1966. – Foto: privat

Hier die Auflösung des Rätsels aus dem letzten Beitrag.
Der gesuchte Schriftsteller ist Denis Diderot.
Ich bin etwas verwirrt, da ich mir den Satz anders eingeprägt hatte, aber egal, der Sinn bleibt der gleiche: Ein strubbeliger Kopf ist mir lieber als ein wohlgekämmter.
Weiß nicht mehr, wo ich das her habe, Diderot jedenfalls, ein offenbar gefährlicher Autor.

Bloggerkollege Phorkyas beklagte neulich, dass im Radio so viel von der Krankheit die Rede ist, ohne dass die Wiederholungen der Sache etwas Dienliches hinzufügen würden. Das meine ich auch. Es wird zu viel geredet, wo es nicht viel zu sagen gibt.

Ich habe große Ferien, von gestern nachmittag bis Montag einschließlich. Morgen schreibe ich schon wieder. Ihr könnt mich stummschalten.
Ich gehe zur Post.

Die Collies sehen alle aus wie Richard Gere

Musste ich neulich wieder dran denken, als ich eines dieser gleichmütigen Tiere sah, das vor der Heckklappe eines Autos wartete, bis ein anderer, etwas ungebärdiger, Hund endlich auf die Ladefläche gesprungen war.
Die Tannenbäume, die überall am Straßenrand und auf den Grüninseln liegen, dabei Mariä Lichtmess mit Blasiussegen erst am 2. Februar, und das Russisch-Orthodoxe Weihnachten oder Epiphanias, je nachdem, ist nicht mal einen Monat her, wie auch die mannigfaltigen Illuminationen in Hausnähe brachten mir die Formulierung der „hingekrümpelten Lichtfiguren” wieder in Erinnerung, die ich immer noch gut finde, ha, ha. Diesen Eindruck machen sie (die Lämpchenrentiere, -schlitten usw.) aber eben erst nach dem Fest, das in meinem Fall übrigens besinnlich ausfiel, vorher scheinen sie strahlender und stolzer. (Besinnlichkeit, oder Besinnung, sollte man sich öfter als einmal im Jahr gönnen, beispielsweise im Wochentakt.)

Infolge des Sturms der vergangenen Nacht sehen die ausrangierten Weihnachtsbäume heute gebürstet aus, verdichteter (‚Nadia‘ hat sie zusammengeschoben) und dunkler grün. Kleinere pflanzliche Fetzen liegen auf den Straßen und Wegen, geben diesen einen struppigen Anstrich, steht ihnen gut. Une tête ébouriffée me plaît plus qu’une tête bien peignée. Kleine Rätselaufgabe: Wer hat’s gesagt?

Das Label Mexican Summer hat mir mitgeteilt, dass sie das neue Album (Pompeii) von Cate Le Bon jetzt verschickt haben. Irgendwann im Februar wird es eintreffen – freu ich mich. (Erscheinungstermin ist der 4.2.)

Da schon mein Geburtstagsprogramm ins Wasser fällt, werde ich nächste Tage ein Konzert von Mary Halvorson besuchen, das sie zusammen mit der Pianistin Sylvie Courvoisier, zudem mit Ned Rothenberg (Klarinette, Saxophon, Shakuhachi) (Shakuhachi?) – nicht zu verwechseln mit dem Nachtigallenforscher David Rothenberg – und Julian Sartorius (Schlagzeug) bestreiten wird.
Da mir Mary Halvorson und ihr verbeulter Gitarrensound sympathisch sind, freue ich mich auch hierauf. Außerdem wird es mein erster Besuch im Pierre Boulez Saal sein, auf den ich schon lange neugierig bin.
(Aber in der Philharmonie war ich auch das letzte Mal, als Gennadij Roždestvenskij dort die Uraufführung von Sofija Gubajldulinas Stimmen … verstummen … dirigierte (und die 10. Sinfonie von Dmitrij Šostakovič), das war 1986. Den Kammermusiksaal kenne ich noch gar nicht, der wurde 1987 eröffnet.)

Eine volle Packung Hochkultur also.
Daneben fröne ich weiterhin der Leichten Muse.
Überhaupt werde ich dies Jahr nur Komödien und Musicals gucken, wenn schon draußen alle mit Kanonen herumrennen.

Binnen eines Tages

I-wet-te, meldete sie sich am Telefon, meine Friseurin Yvette aus Moabit. Gerade war die Öffnung der Friseursalons ab dem 1. März beschlossen worden und sie rief ihre „Stammis” an, damit die alle einen Termin bekämen. Ich hoffe, sie darf nun wieder regulär öffnen. Denn über das Detail, dass der Inzidenzwert von 35 außer Reichweite scheint (von 0 ganz zu schweigen), darf man nicht übersehen, dass auch der Inzidenzwert von 50 in kaum einem Bundesland erreicht wird. In Berlin liegt er jetzt bei 66.3 %, im Brandenburger Landkreis Potsdam-Mittelmark bei 47.6 %, mit der Einschränkung: „Aufgrund einer Anpassung der Meldesysteme weichen derzeit die veröffentlichten Zahlen des LAVG von denen des Robert-Koch-Institutes (RKI) ab. Maßgeblich für das Agieren der Landesregierung und der Landkreise bzw. kreisfreien Städte sind jedoch die vom LAVG veröffentlichten Daten.” (Potsdamer Neueste Nachrichten)
Ob die veröffentlichten Zahlen nach oben oder nach unten hin abweichen, hätte man natürlich auch gern gewusst.

LAVG = Landesamt für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit.
Die Reihenfolge lässt argwöhnen, dass die Gesundheit nicht als absolut, sondern nur als relativ wertvoll betrachtet wird, nämlich insofern als die Gesunden arbeiten und konsumieren können, die Kranken aber nicht, oder nur eingeschränkt.
Hinsichtlich der Inzidenzwerte wird immer betont, ab der Zahl 50 oder 35 seien die Gesundheitsämter in der Lage, Ansteckungsfälle zurückzuverfolgen, und die Krankenhäuser würden nicht überlastet. Auch hier geht es also nur nachgeordnet um die Gesundheit (der Arbeiter und Verbraucher) und vorrangig darum, das System kaputtgesparter Ämter und auf Rendite getrimmter Krankenhäuser auf diesem desolaten Niveau zu konservieren. Das ist doch sehr enttäuschend.
Richtig wäre es, Krankenhäuser nicht als wirtschaftliche, sondern als soziale Betriebe zu definieren und zu führen, gute Löhne zu zahlen, gute Arbeitsbedingungen zu schaffen und Gesundheitsämter finanziell und personell gut auszustatten. Für Beides muss (müsste) der Staat Geld bereitstellen.

Ich dachte, nur Joanna Newsom verwende Blockflöten, aber nein, auch für Cate Le Bon (nicht mit dem Duran Duran-Sänger Simon Le Bon verwandt) scheint dies zuzutreffen, wenn ich mir den Song Here It Comes Again aus ihrer gleichnamigen EP (2019, zusammen mit dem Duo Group Listening und dem Sänger Ed Dowie) anhöre.
Cate Le Bon ist nie langweilig. Bedauerlicherweise verbietet sie es sich, bei Auftritten zu lächeln. Aber wenn das die Bedingung dafür ist, dass sie auftritt, ist es mir recht.

These are hard times to fall in love

Zur Feier des nahenden Wochenendes – und weil man sich ja irgendwie bei Laune halten muss – habe ich meine Bandcamp-Sammlung um das Debütalbum von Cate Le Bon, Me Oh My (2009), erweitert (und bereichert). Auf das schöne Artwork musste ich aber verzichten und mit Fraktur vorliebnehmen.
Beim Hören fühle ich mich an Neil Youngs After The Gold Rush (1970) erinnert, stimmungsmäßig. Das wäre kein schlechtes Vorbild, sollte es eines sein.
Hier ein Stück aus Me Oh My, Shoeing The Bones (dem auch die Überschrift entnommen ist – oder sollte ich mich verhört haben?), und danach ein auf Walisisch gesungenes, das ursprünglich auch auf die Platte sollte, um der Geschlossenheit willen aber herausfiel.
Cate Le Bon ist super, ich sag’s nur.
Zu beiden Songs gibt es auch Videos mit laufenden Bildern: hier ein Film, da ein Fernsehauftritt, beides sehenswert. Hier eingefügt nur die Standvideos.

Von der Verwandtschaft habe ich ein nagelneues Telefon bekommen.
Die SIM-PIN, die zusammen in einem Umschlag mit der neuen SIM-Karte hier eintraf, hat das Gerät aber leider nicht angenommen. Offenbar verlangt Android nach einer Geräte-PIN.
Heute in der Mittagspause bin ich mit aller Vorsicht zu einem Telefonladen am Teltower Damm geradelt. Dort hatte ich es mit lauter leichtsinnigen Zehlendorfern zu tun, die sich auf Straße, Rad- und Gehweg tummelten, so als wäre schon wieder alles in Butter. Weit gefehlt! Ich sehe Tote auf uns kommen, und zwar in rauhen Mengen! Leider haben nicht alle einen Blick für den Tod. Man kann aber Gift darauf nehmen, dass dies umgekehrt nicht gilt. Was soll ich sagen.
Aber im Telefonladen habe ich mich sicher gefühlt, ich war der einzige Kunde, und ich blieb zwei Meter vor dem Plexiglas stehen. Doch mit einer Geräte-PIN konnten sie auch nicht dienen, Rücksetzen auf Werkseinstellung dito, da könne ich aber zum Phonedoctor in Steglitz. Gut, das ist dann morgen an der Reihe.

Rin Enter

Glückwunsch zum Jahrestag mit WordPress.com!
Du hast dich vor 7 Jahren auf WordPress.com registriert.
Danke für dein Vertrauen. Weiter viel Erfolg beim Bloggen!

Diese Nachricht kam gestern.

Woran bemisst sich der Erfolg beim Bloggen? Wahrscheinlich an den Klicks. – Ich glaube, dass seit Februar 2013 kein Tag vergangen ist, an dem die Seite nicht wenigstens ein-zweimal angeklickt worden wäre. – Der meistbesuchte Beitrag war [geschwärzt]. Diesen Erfolg möchte ich nicht wiederholen, denn die Aufrufe verdankten sich einem Troll, der dann gottlob nicht weiter in Erscheinung getreten ist. Er hat mich sehr geärgert.
Wer genau hier vorbeikommt, weiß ich nur in wenigen Fällen. Von meinen Geschwistern sind es zwei, die verfolgen, was ich mache. Acht Ignoranten, im Umkehrschluss, ich werde das im Testament berücksichtigen.
Ich habe immer mal wieder mit dem Bloggen gehadert, es gab eine einjährige Pause und mehrfache Unterbrechungen. Inzwischen bin ich ganz zufrieden. Ich nehme das Tempo langsam. Ich weiß, dass wenig zurückkommt.
Ich werde das Ding hier fortsetzen, so lange ich Lust dazu habe.
Danke für’s Folgen (für’s wirkliche, tätige Folgen)!

Übrigens ist gestern unter dem Titel „wie geschnitten Pink”. Neue Sprachkunst von Charlotte Warsen meine Kritik zu ihrem Gedichtband Plage veröffentlicht worden, nachzulesen

hier.

Weil es doch zuletzt viel Text gab – und zur Feier des Jubiläums – ein flottes Stück von Cate Le Bon, die ich in diesem Blog ja schon mehrmals habe hochleben lassen. Da Duke auch ein super Song ist, poste ich den auch, und – aller guten Dinge sind drei – Heat Rises von Nilüfer Yanya. Nilüfer Yanyas Musik hat Pop Appeal, geht aber nicht ganz darin auf.

Bleibt abschließend zu erwähnen, dass ich meine Aufnahmeanträge für den VdÜ (Verband deutschsprachiger Übersetzer/innen literarischer und wissenschaftlicher Werke e.V.) und die Bundessparte Übersetzer im Verband deutscher Schriftsteller (VS) in ver.di abgeschickt habe und mich auf Abbuchungen einstelle. Das ist okay.
Außerdem habe ich die Absicht, mich bei der VG Wort (Verwertungsgesellschaft Wort) anzumelden, auf dass die brotlose Kunst des Kritikenschreibens zum Jahresende doch noch etwas einbringe. Auch wenn ich mir dann nur einen Bratapfel kaufen kann, ist ja egal. Nicht egal ist aber, in einer Gesellschaft, in der alles auf Geld hin orientiert ist, darauf zu pochen, dass eine geldwerte Leistung entlohnt wird, und zwar mit Geld. Das ist mehr so eine grundsätzliche Haltung. Denn meine Miete verdiene ich ja als Buchhändler und Dateneingabefuzzi.

An der Fassade des Ringcenters Frankfurter Allee waren das G und das C ausgefallen, so dass zwei Versionen von „Hereinspaziert!” übrigblieben, nämlich RIN und ENTER. Nur falls sich einer wundert.

Die Tage des fröhlichen Autofahrens sind gezählt

Aber: „Wer glaubt schon daran, dass er dran glauben muss?” (Hans Magnus Enzensberger)
Ich habe oft davon profitiert, dass andere ein Auto hatten und für mich gefahren sind (ich habe keinen Führerschein), und ich werde vereinzelt weiter auf solcherlei Fahrbereitschaft zurückgreifen müssen und wollen. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Verbrennungsmotoren out sind: fossile Brennstoffe, so heißt es ja schon.
Um so enttäuschender, dass die Bundesregierung, entgegen anderslautender Beteuerungen (die jungen Leute haben uns aufgerüttelt, etc.), den Schuss nicht gehört hat.
Eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen ist zum Beispiel nicht beschlossen worden, als am 20.9. das sogenannte Klimakabinett tagte. Nun tragen die entscheidungsschwachen Entscheider die Zahl der Milliarden Euro, die in den kommenden Jahren in die Erreichung (angeblich) der Klimaziele investiert werden sollen, stolz vor sich her. Und doch ist allen klar, dass sie damit nur von ihrer Untätigkeit ablenken wollen.
„Sie haben Richtlinienkompetenz, aber Sie mögen keine Richtlinie ausgeben und verleugnen Ihre Kompetenz”, habe ich Frau Merkel geschrieben (ich weiß nicht, ob sie es zu lesen bekommt).

Was kommen muss:
– ein Rückbau (Abriss) von Straßen und deren Renaturierung
– ein Verbot von Protzautos innerhalb des Berliner S-Bahn-Rings, und generell innerhalb der Innenstädte
– eine kontinuierliche Reduzierung von Parkplätzen
– eine kräftige Verteuerung bestehender Parkplätze
– ein Umbau der autogerechten Stadt in eine fußgängergerechte Stadt (Beispiel: Ampelphasen)
– eine Neuzuteilung des Stadtraums zugunsten der Fußgänger und Fahrradfahrer
– ein CO2-Einstiegspreis je Tonne von mindestens 50,00 Euro ab spätestens 1.1.2020, und Erhöhung auf mindestens 180,00 Euro je Tonne bis 2025 (oder was die Fachleute raten)
– das Ende der industriellen Landwirtschaft
– ein Verbot von Umweltgiften
– eine Abkehr vom Wachstumgsglauben

Die Bundesregierung setzt auf Innovationen, um das Ruder herumzureißen – Innovationen, die vor Jahrzehnten hätten angestoßen werden müssen. Zwar sollen mir technische Entwicklungen zur Beförderung des Umweltschutzes immer willkommen sein (zu nennen wäre beispielsweise die Aachener Pacific Garbage Screening-Forschungsgruppe, die sich für plastikfreie Flüsse einsetzt), aber unumgänglich sind auch Verbote und Beschränkungen (genannt: Ordnungspolitik).

Ich begrüße, dass die Fridays for Future-Streiks bis auf weiteres fortgesetzt werden, und auch die Straßenblockaden der Extinction Rebellion, wie sie in mehreren Ländern wieder für den 7. Oktober geplant sind, finde ich gut und richtig – ebenso, dass die Demonstranten so unkonfrontativ dabei vorgehen (unter Rückgriff auf das Modell der wertschätzenden Kommunikation – was ihnen sogleich Kritik eingebracht hat, siehe hier: „Extinction Rebellion fehlt der Mut”).
Vielleicht erscheinen manchen die Warnungen der Extinction Rebellion als alarmistisch, aber es verschwinden täglich Arten, die Erde wird von verheerenden Bränden heimgesucht und der Ausstoß klimaschädlicher Gase ist höher denn je. Der Notstand ist da. Wird er länger missachtet, wird der Aufstand nicht ausbleiben, mag er auch ’nur‘ als Sit-in, Flashmob oder sonstiger kreativer Protest daherkommen.

Ein älteres Stück/Video (2016) von Cate Le Bon. Sie erscheint hier wie ein versprengtes Mitglied der Pantomimengruppe in Michelangelo Antonionis Blow Up.

Juni-Platte: Cate Le Bon

Ab und zu gucke ich bei AllMusic nach, was die gut finden. Jetzt hatten sie Cate Le Bon unter ihren Empfehlungen, die ich nicht kannte. Sonntag wird sie in Berlin auftreten. Ich habe mir bei YouTube ihr neues Album angehört. Es ist apart, ein wenig spröde für das Genre (Pop), abwechslungreich. Mitunter erinnert ihre Stimme an Miss Kitten, z.B. in Mother’s Mother’s Magazines, aber das ist ja nichts Schlechtes. Cate Timothy, wie die Musikerin bürgerlich heißt, macht mit Tim Presley auch unter dem Namen DRINKS Musik.

Fred Thomas, Cate Le Bon. Reward (AllMusic). Thomas vergibt 4 1/2 von 5 Sternen.

Hier zwei Stücke, das erste – recht folkig klingend – aus dem Album Mug Museum (2013), live dargeboten auf einem Pariser Balkon (mit passender musikalischer Untermalung durch eine vorbeifahrende Ambulanz), das zweite aus dem aktuellen Album Reward (2019, Video von Phil Collins).

http://www.catelebon.com/
https://catelebon.bandcamp.com/album/reward