Katharina Hackers Büchlein Über Leben mit Tier (Tier auch als Anrede zu verstehen), das von Tieren handelt, ist humaner als manches Menschen-Buch. Es schließt eigensinnig an die Tradition der französischen Moralisten des 17. und 18. Jahrhunderts an – jener aufgeklärten Epoche, als dem Philosophen René Descartes Tiere als Automaten galten -, ohne doch nur ein Mal den sprichwörtlichen moralischen Zeigefinger zu heben. Übrigens hat das Buch keine Paginierung, das heißt man darf es auf jeder Seite aufschlagen und zu lesen anfangen wo man will (hier eine Leseprobe). Die Leserïnnen bewegen sich gewissermaßen hundig durch die Seiten, immer der Nase nach. Jedes Blatt ist interessant und anziehend. Und man ’nimmt was mit‘ von seinen Streunereien, oder trägt was heim, ein Bedenkknöchelchen zum Nagen, als Morgengabe für Kopf und Herz.
Katharina Hacker, Über Leben mit Tier. Ohne Paginierung [112 Seiten], flexibler Leinenband. Berenberg Verlag, Berlin 2023. 20,00 Euro.
[Bei der Textredaktion war ein kurzer Abschnitt verloren gegangen:]
Raise a glass in a season of ash. Gutes Motto! schrieb ich meiner kritischen Freundin, eine Songzeile aus Cate Le Bon’s Wheel zitierend, dem mit ruhiger Majestät voranschreitenden Schluss-Stück ihres Pompeii-Albums. Sie widersprach: Ein Motto, das von Asche spricht?
In der Buchhandlung kaufte ich mir Marc Degens‘ Selfie ohne Selbst (heute erschienen). Darin geht es unter anderem um Marc Degens in der literarisierenden, verzerrenden Spiegelung durch den verstorbenen Schriftsteller Michael Rutschky: In seinem dreibändigen Tagebuch-Werk (Mitgeschrieben, 2015, In die neue Zeit, 2017, Gegen Ende, 2019) hatte „Herr Rutschky” (wie er hier meist apostrophiert wird) offenbar wenig wohlwollend über seine Freunde, unter ihnen Marc Degens, geschrieben – was mich zweifeln lässt, ob er ihnen wirklich freund war. Ich hab noch nicht sehr weit gelesen … Mein erster Eindruck ist, man hätte dem nachsinnenden Buch den (à la) Bernhard’schen Untertitel Eine Irritation beigeben können. Die Noblesse, mit der Marc Degens einen Verrat protokolliert, ist bemerkenswert, ebenso die traurige Verwunderung dieser Seiten. Niederschrift und Löschung einer Seelenlast. Übrigens kann ich mich erinnern, wie ich 2017 zur Vorstellung des zweiten Rutschky-Tagebuchbandes mit meinem Chef im Literaturhaus Berlin war, das zu der Zeit noch von Ernest Wichner geleitet wurde. Kurt Scheel, der Rutschky-Freund und nachmalige Herausgeber von Gegen Ende, war da und saß auf dem Podium, im Publikum unter anderen die Kritikerin und Frankfurter Kulturdezernentin Ina Hartwig, die ich nach Fotos erkannte, ebenso wie ihren Mann. Kurt Scheel habe ich als etwas säuerlich in Bezug auf sein Rutschky-Double in Erinnerung, aber hier galt es, einen Literaturabend zu bestreiten, da war er professionell und gewissermaßen schmerzlos. Wie ein Schnappschuss ist mir eine kurze Szene nach der Buchvorstellung in Erinnerung geblieben. Kurt Scheel, mein Chef und ich standen einen Moment beisammen, der Verleger, Heinrich von Berenberg, hatte Wein gestiftet, ich dankte Herrn Scheel für den anregenden Abend, er lachte übers Gesicht, seine Augen blitzten, und blitzte nicht auch ein Zahn? Er schien die Geselligkeit des Abends zu genießen. War Herr Rutschky eigentlich auch da? Ich kann mich nicht erinnern, ich habe nichts notiert.
„Je me demande bien comment tu as connaissance de ces groupes assez confidentiels. Mystère”, schreibt mir meine Konversationslehrerin aus der Bretagne. Sie frage sich, wie ich an diese Geheimtips komme – das bezog sich auf das Duo Arlt: Ich hatte vorgeschlagen, dass wir ihren Song Oh bagnole besprechen. Er war mir bei Bandcamp vorgeschlagen worden, weil ich vorher eine andere Veröffentlichung des Labels Objet Disque gekauft hatte (Fabio Viscogliosi). Das ist das ganze, simple Geheimnis, ich werde es ihr nächstes Mal verraten. Freundlicherweise hatte sie ihrerseits einen Musiktip für mich, die Pariser Band Feu! Chatterton.