Der Titel ist die (eine) Übersetzung des zweiten Stücks aus dem spektakulären Live-Album The Berlin Concert (2018) von Angelika Niescier, Christopher Tordini und Tyshawn Sorey: „Like Sheep, Looking Up”.
Wie verschiedentlich angemerkt, braucht ein Blogger Überschriften. Was in den Posts steht, geht oft in eine andere Richtung.
Als im Soundcheck, der freitäglichen Sendung von rbb radio eins, in der vier Musikjournalistïnnen über neue Alben diskutieren, Julia Holter mit Something in the Room She Moves an der Reihe war (Folge vom 29.3.), bin ich leider eingeschlafen – (selbstverständlich) nicht, weil mich das Thema gelangweilt hätte, sondern weil ich einige Tage lang früh, zwischen fünf und sechs Uhr, wach war, oder sogar noch etwas davor, was beileibe nicht das ist, was die Italiener levataccia nennen, aber doch ein zeitiges Aufstehen bedeutet, wenn man selten vor Mitternacht, also zum Beispiel um eins, ins Bett geht.
Am nächsten Tag habe ich nachgesehen, wie die Wertung ausgefallen war:
1 x Hit, 2 x geht in Ordnung, 1 x Niete.
„Niete” verstehe ich nicht und scheint mir eine Frechheit gegenüber einer Künstlerin, die, seit sie Musik macht – Eating the Stars erschien, noch unter dem Namen Julia Shammas Holter, 2008, da war sie dreiundzwanzig Jahre alt -, mit Ernst, Ausdauer, Sorgfalt, Originalität, Perfektionismus und Hingabe ans Werk geht, und die mit jeder ihrer Veröffentlichungen Klasse bewiesen hat, inbegriffen die Wahl ihrer Band, die stets makellose Produktion und Verpackung (Cover-Art, Beiheft, Videos).
„Geht in Ordnung” – okay. Vielleicht hat da jemand gehofft, dass sie etwas Ähnliches macht wie bei Have You in My Wilderness, sich stärker an Songstrukturen orientiert, und wurde enttäuscht.
Kurz: Nur bei „Hit” gehe ich mit.
Nach den vielen Worten nun auch endlich Musik.
Der Song Evening Mood, der die C-Seite eröffnet, hat etwas von der Verstrahltheit, dem Glimmen und Blinken des Openers Sun Girl, jedoch abgemildert, dem Titel angemessen.
Die Tänzerin ist Tatiana Luboviski-Acosta, a queer anarchist anti-zionist Jewish Nicaragüense artist, poet, and sexual health educator, wie ich bei The Poetry Project nachlese.
Hier möchte ich einschieben, dass auf einem der zig Zettel, die im Zuge meines therapeutischen Aufräumens (Ziel war es, meine Laune zu heben, was geglückt ist) von mir geprüft wurden, das Wort verbumfeien notiert war, das sich nicht in meinem aktiven Wortschatz befindet, und das zu hören mich doch immer gefreut hat, wenn mein alter Freund Walter es gesagt hat.
Er verwendet es nur in der dritten Person Singular, übrigens stets mit Betonung, die Augenbrauen hebend. Will er damit unterstreichen, dass dies so schöne, allerdings regionalsprachliche, Wort, verbumfeit, vielleicht den Fortgang der Sprachentwicklung nicht überleben wird, ähnlich wie heute bei uns niemand mehr Kindergarten sagt, während es im englischsprachigen Raum sicher immer noch geläufig ist?
Am 12. April tritt Julia Holter in Berlin auf – ich bin gespannt!
Es gibt auch Neues von Charli XCX, für die ich eine gewisse Schwäche habe. Sie pflegt ihr Image als hart feierndes Party Girl, aber vor allem ist sie eine innovative Musikerin, die die (Verfremdungs-) Techniken, die die Produktionstools heute bereithalten, kühn nutzt: sozusagen eskalierend, maximal. Meiner Ansicht nach ist dieser Ansatz, freilich bei komplett anderem Musikstil (Pop), nicht grundsätzlich verschieden von dem Jimi Hendrix‘ (Rock), der die elektrische Gitarre auch nicht mehr spielte wie Charlie Christian, sondern ihr Potential, auch im Zusammengehen mit Verstärker, Feedbackkreischen, Effekt- und Wahwah-Pedalen, voll ausschöpfte.
Ob sie von ihrem künstlerischen Rang her vergleichbar sind, Charli und Jimi … das wohl nicht.
Macht aber nichts. Und glücklicherweise ist Charli XCX am Leben. Ich wünsche ihr, dass sie noch viel von ihrer Energie wird verschwenden können.
Da ich heute in DJ-Laune bin, jetzt aber wirklich zum Schluss, ein wunderbarer, kraftvoller Track von David Leon, Bluest Blue (David Leon – alto saxophone, Sonya Belaya – piano, Florian Herzog – bass, Stephen Boegehold – drums), aus dem Album Aire De Agua (2021), inspiriert von einer Arbeit von Marina Abramovic.