„Keine Magerstufe”. Ich hatte gerade das (leise rappelnde, quietschende) Tor zugezogen, als meine Mitbewohnerin nach mir rief. Erst sah ich sie nicht, weil die Kiefer dazwischenstand (eine der vielen Kiefern, die die Sommerfeldsiedlung so vorortmäßig erscheinen lassen). In ihrer braunen Wolljacke lehnte sie an ihrem Zimmerfenster – ich hab auch so eine, ziemlich ähnlich, scheint mir, nur für zu Hause, von meinem Vater geerbt – und fragte zu mir herab, ob ich zu Rewe gehe.
– Ja. (So zögerlich-fragend gesagt, nur eine Silbe ist eine ganz unzureichende Notation.)
Zu oder zum, das weiß ich nun nicht genau, vielleicht zum. Ich sage: zu, egal. (Den Joghurt kaufe ich für mich selbst auch, aber die kleine Packung. Ich kaufe die kleine Packung zweimal, sie die große einmal, von der Menge her läuft’s aufs Gleiche hinaus. So zeigen sich die unterschiedlichen Charaktere.) – Ich fand das Wort „Magerstufe” gut, eine gute Covid 19-Zeit-Metapher. Nicht in finanzpolitischer Hinsicht zutreffend, aber sonst.
3.8 % Fett leuchten mir total ein.
Sie hatte sich bereits zurückgezogen, als ich zurückkam – nicht, dass ich lange weggewesen wäre, ich bin ein effizienter Einkäufer, brauch auch nicht viel -, also riss ich den Deckel einer Teeverpackung ab und schrieb darauf in Druckschrift: „Joghurt im Kühlschrank. Geschenk des Hauses.”
Ich bin nicht so der überschwengliche Typ. Einmal habe ich einer Freundin, die ich toll finde (das kann jede sein), ein Gebäck nach Hause schicken lassen, das war in der Adventszeit, und man konnte noch auf einem Kärtchen ein bisschen was schreiben, einen Gruß. Ich schrieb: Guten Appetit! – „Alles, was man sagen kann, kann man auch beiläufig sagen”, das Wort von Elfriede Gerstl hat mir immer gefallen.
Übrigens, ich weiß schon, dass man „überschwenglich” heute mit a Umlaut schreibt, weil es von „Überschwang” kommt. Aber die Sprache ist nicht konsequent, nicht logisch und auch nicht genau, und ich wüsste nicht, was schlecht daran ist.
Im Lesen bin ich ganz faul geworden, aber ich höre fleißig Musik. Ich beschäftige mich zum Beispiel mit Julia Holter, deren Individualismus ich bewundere. – An anderer Stelle hatte ich geschrieben, dass sie mir mit ihrer Ambitioniertheit manchmal auch auf die Nerven geht. Diesen Akzent würde ich heute nicht mehr setzen, weil sich Kunst ohne Ambition vermutlich im Kreis drehte.
In ihrer Kritik zu Julia Holters Doppelalbum Aviary im Musikexpress spricht Julia Lorenz von „Bildungsbürgermusik”. Das ist eine treffende Beschreibung.
Aviary ist eine mutige, schlüssige und risikobereite Weiterentwicklung ihrer Arbeit.
Eine ganz andere Musik, an der ich auch Freude habe, ist das Debütalbum der Londoner Band Goat Girl. Prima! Hier geben Sie ein kleines Wohnzimmerkonzert: Strano Session #5 / Teil 2.
Julia Holter Aviary (Domino Records)
Julia Holter Aviary (Bandcamp)
Julia Lorenz, Julia Holter, Aviary (Musikexpress)
Spyros Stasis, Julia Holter Produces Her Most Ambitious Work Yet with ‚Aviary‘ (Pop Matters)
“ ‚Mäh mäh!‘ so schreit die Ziege in Barcelona – II: sie gibt keine Milch :II.
[Zeile vergessen, vielleicht was mit Muh! Muh! und Kuh… aber was reimt sich auf „Milch?“]
Magermilch! Magemilch! ist der letzte Schrei.
Vollmilch, Vollmilch ist schon längst vorbei.
Tädderä tädderä tädderä tedderä tedderä — .“
Zu singen à la Carmen – erinnert aus Zeiten mit Zilli L***
Keine Ahnung, woher sie das hatte.
Ich bin aber für Vollmilch!
Schön, dass Du Dich aus dem Dickicht heraus wieder eingefunden hast!
Sehr zufrieden mit der Wahl „überschw-e-nglich“. Mit -ä- wird’s noch einen Tick teutonischer, finde ich.
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viel freude beim joghurtessen und musikhören.
ich höre im moment auch viel, male auch viel.
das schreiben könnte wieder mehr. mal sehen. 🙂
schönen sonntag! und dass du freundinnen
gebäck mit kärtchen schickst, finde ich, ist eine
feine geste.
nicht alles, was sich backen lässt, lässt sich essen.
(wolkenbeobachterin)
🙂
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da fehlt ein „nicht“ vor „alles“
und vor „essen“ gehört es
gegessen.
hach. sprache.
🙂
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Liebe wolkenbeobachterin, ich hab’s entsprechend Deinen Angaben verbessert.
Viele Grüße, Meinolf
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danke 🙂
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Das vegane Leben verweist mich auf Lupinenjoghurts und dergleichen. Wahnstufe 3,8.
Menschen die überschwenglich schreiben, schreiben auch Potential.
Einer Freundin, deren Sohn akut und schlimm erkrankt ist, schickte ich die Tage ein Paket mit Gebäck des ortsansässigen (Murnauer) Bäckers. Auf die beigelegte Karte schrieb ich „Guten Appetit, gute Besserung“. Leider wird das Paket, wie alle anderen auch, abhanden kommen. Hoffentlich schämt der Dieb sich, wenn er die Karte liest. .
Goat Girl! Gefällt mir sehr!
Grüße aus den Bergen!
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Ich wünsche Deiner Freundin und ihrem Sohn, dass Dein Paket ankommt! (Und Dir, denn dann wirst Du Dich ja auch freuen!)
Schön, dass Du Goat Girl magst. Mein Musikgeschmack trifft nicht oft auf Gegenliebe …
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Das Paket ist angekommen, aber der Sohn ist noch immer so krank, dass er nichts davon essen darf. Die Freude war dennoch groß, auf allen Seiten.
Ich glaub ich mag Deinen Musikgeschmack zu etwa 50%. Cate le Bon gefällt mir bspw. auch sehr gut. Und vor einer ganzen Weile stieß ich hier auf so schöne schräge und tiefe Töne, dass ich mich in einem Wald voller Totholz wiederfand, wo trockenes Laub sich an Spinnfäden drehte.
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Hat mir keine Ruhe gelassen. Das war die Musik mit dem passenden Video:
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Wenn jemand krank ist, würde man eher fragen: Was hat er? Oder: Was fehlt ihm?
Ich wünsche dem Jungen jedenfalls rasche Genesung! Dein Paket wird dazu einen Beitrag leisten, ob er davon essen darf oder nicht, ist gar nicht so wichtig, glaube ich.
Danke, dass Du die Musik nachgesehen hast, ich wäre nicht darauf gekommen (hab aber auch ein bisschen gescrollt, weil ich neugierig war). Mary Halvorson – die bei dieser Plattenaufnahme nur Instrumente spielen durfte, die sie noch nie vorher gespielt hat – hat ein Album mit dem Titel Code Girl aufgenommen, und ich hatte kurz überlegt, sie mir nach Goat Girl zu kaufen, es aber dann erst mal gelassen, denn es kommt da so eine opernhafte Singstimme zum Einsatz, und ich habe überhaupt keinen Sinn für Oper.
Die Häfte – nicht schlecht!
Viele Grüße!
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