Brest

Nach kurzem, leichtem Schlaf gegen vier Uhr aufgestanden, alles für die Abfahrt vorbereitet. Viertel nach fünf durch den schlafenden Ort zum Busbahnhof.

Zweite Etappe: La Souterraine – Paris Gare d’Austerlitz.

Zwei Stunden Umsteigezeit, kann man glatt zu Fuß gehen.

Paris Gare Montparnasse – Brest. (Brest hat nur einen Bahnhof, kein Beiname erforderlich.)

Anders als die komfortablen ICEs, sparen die TGVs an Platz für die Passagiere. Wie Sardinen werden sie in die schmale Zugbüchse gesteckt und auf jagende Fahrt geschickt.

Brest, Bretagne. Vom Bahnhof noch 15 Minuten Fußweg. Im vierten Stock drei Wohnungstüren, alle ohne Namensschild. Mal die neben dem Aufzug probieren.

Wasser in Winkweite

Gestern abend Einladung zum Essen. (Die Leute vorgestern kennengelernt. Gleich den neuen Hühnerstall bewundert. Über dem Tor eine kleine Lenin-Statue, daneben groß der gallische Hahn.) Als Aperitif Rum / 55 %, von Eisklümpchen kaum verdünnt, dazu geröstete Kokosnussflocken und halbkreisförmige Nüsse, die auch irgendwie heißen, Kidney nicht, Chutney nicht, aber in die Richtung. Zum Hauptgang wurde Schweinefleisch mit Reis serviert, Rotwein. Lebhafte Gespräche über Macron und Mélenchon.

Zwischendrin Sichtung eines jungen Igels. Freudige Begrüßung. Die Nachbarin lief ihm vor Entzücken entgegen und nahm ihn auf die Hand, doch da hatte er sich schon zur Kugel eingerollt. Kann er ja nicht wissen, dass das eine ganz ganz freundliche Tante ist, die sich einfach freut, mal wieder einen Igel zu sehen, diesen selten gewordenen Gast. Wieder im Gras abgesetzt, blieb er einige Minuten Kugel und lief davon, als keiner guckte.

Am letzten Abend

Musik war länger nicht mehr, darum hier ein Stück von Charlotte Adigéry und Bolis Pupul.

Verschattungssysteme

(c) Verena Bentele

Der Generalsekretär der World Meteorological Organization (WMO) -> public.wmo.int, Petteri Taalas, stellt fest, dass wir uns, im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter (in Jahreszahlen ausgedrückt? -> nachsehen), auf eine Klimaerwärmung um 2,5 °C zubewegen. Die aktuelle Hitzewelle ist ein Inferno. In Südwestfrankreich mussten über 32.000 Menschen evakuiert werden, europaweit wurden zehntausende Hektar Wald vernichtet. (Das ist noch harmlos, denkt man an die Hungersnot in Ostafrika.) Wie wird es noch werden? Ist eine Erhöhung der Pendlerpauschale, sind Tankrabatte eine adäquate Antwort?

In den von Russland eroberten Gebieten in der Ostukraine und auf der Krim ist es einigermaßen ruhig, es fallen keine Bomben mehr, keine Raketen schlagen mehr ein. Die Ukraine in Person ihres Präsidenten hat erklärt, die geraubten Landesteile mit Bomben und Raketen zurückerobern zu wollen. Vielleicht wäre es doch einmal an der Zeit, über non-ballistische Strategien nachzudenken und es nicht dahin kommen zu lassen, dass einer der Kontrahenten dem strittigen Kind rechthaberisch Arme und Beine ausreißt. (Der kaukasische Kreidekreis wiederlesen.) Was ist territoriale Integrität wert, wenn sie nur um den Preis der Zerstörung des Territoriums zu haben ist?

Auf dem Weg zur Schlossruine an der Kirche vorbei – doch halt! Da steht ein Lieferwagen, ein Sarg wird herausgeschoben. Also lieber über die Straße. 1633 wurde das Schloss auf Befehl Richelieus zerstört, um die Ordnung in Mittelwestfrankreich wiederherzustellen. Richelieu, der Gauner. Eine Tafel gedenkt der Vicomtes Gui I und Rainaud VI sowie der Vicomtessen Assalide und Marguerite, außerdem der Troubadoure Bernard de Ventadour, Gui, Eble, Pierre und Elias d’Ussel, Cauceim Faidit und Jean d’Aubusson. Im 12. und 13. Jahrhundert kamen sie mit Poesie und Musik 🎶 nach Aubusson. Vergangene Zeiten. Indes: The King is dead but not forgotten. (Neil Young)

Ein Vers von Gui d’Ussel unten auf der Gedenktafel: Vas Albusso chanso t’en tost ta via … (Vers Aubusson chanson mets-toi vite en route …). Nach Aubusson, Chanson, rasch eile!

Ceci n’est pas une route

Einen Kaffeelöffel, einen Korkenzieher kaufen und der Unterkunft vermachen – ein Plan, der in dem Moment, da sich der tire-bouchon als solides Markenwerkzeug des Autokonstrukteurs Peugeot herausstellt, zur Hälfte Makulatur wird. Immerhin, der Löffel darf bleiben.

Auf dem Weg zu Chez Armand

Bei Armand essen zu gehen, muss warten: Heute wegen „Covid“ geschlossen. – Wer ist krank, er selbst, oder der (andere) Koch? – Und morgen ist alles wieder gut?

Einige Schritte entfernt eine Banderole. Gerahmt von einem roten viereckigen Kreis und einem roten Stern in Großbuchstaben der Hinweis: Dies ist keine Straße.

Erziehung durch Schrift auch anderswo: Wer hier seine Kippen wegwirft, verschmutzt die Creuse! – Wie immer bei französischen Interpunktionszeichen, die aus zwei Elementen bestehen (!?:;), ist das Ausrufungszeichen von Leerzeichen gerahmt und dadurch betont. Kippen liegen da trotzdem. (Der Hinweis findet sich neben jedem Gulli.)

Umwelterziehung, das wünschte man sich auch für Berlin.

Einen Haufen Geld müsste man haben! Da könnte man eines der leerstehenden historischen Häuser kaufen, es von örtlichen Handwerkern instandsetzen lassen, ein paar Jahre selbst darin wohnen und es dann stiften, z.B. für die Zunft der Übersetzer oder der Dichterinnen.

Die Treppe

Treppe in Limoges

Das ist die Treppe, die besagte.

Bus 9, Bussteig A. Nebst Fahrschein gibt es ohne weiteren Kommentar zwanzig Euro zurück. Der Fahrer hatte also „deux (2) euro“ gesagt, nicht „douze (12) euro“. Die Fahrt wird eindreiviertel Stunden dauern. Leises Radio, Ansage der Stationen vom Band.

Aubusson.

Nach einer Weile geduldigen Wartens Nachfrage bei der Dame, die mit Handschuhen und Atemschutzmaske ihre Garage leerzuräumen scheint. Die Nummer 13? – Sie lässt ihre Arbeit liegen. Vor der Tür bleibt sie stehen, fragt: Haben Sie’s versucht? – Die Tür geht auf. Niemand da. Auch die Tür zum Zimmer ist offen, der Schlüssel steckt von innen. Überraschenderweise ist das Bett nicht gemacht. Anruf beim Vermieter. AB. Abgehört hat er’s aber, denn eine Frau erscheint, bittet um Entschuldigung, macht sich daran, den Raum herzurichten, picobello. Kleiner Spaziergang draußen. Unaufgeräumter Eindruck, kein Freilichtmuseum. Viel Brüchiges, Gräser, hochstengelige Blumen, Bienen. In der Luft Gekreische der Schwalben. An der Mauer eine Eidechse, uneilig. Wieder zurück. Der Vermieter ruft an, das Phantom, ob jetzt alles in Ordnung sei. Er fährt in Urlaub. Anweisung, bei Abreise den Schlüssel steckenzulassen, Haustür bleibt offen.

PS. Die Wohnung ist übrigens schön, ohne Schnickschnack.