Ostkeks

„Ausgerechnet am Weltraumbahnhof Wostotschny treffen sich zwei, die manch einer gern zum Mond schießen würde. Wladimir Putin und Kim Jong Un – zwei, die sich in ihrem Wahn zu Höherem berufen fühlen, zwei, die mehr darstellen möchten, als sie sind”, beginnt Gesine Dornblüth ihren Kommentar zur Begegnung der beiden Gewalthaber, die vor einigen Tagen stattfand. (Deutschlandfunk, 13.9.2023)

An den Mond habe ich in anderem Zusammenhang gedacht. Spätestens seit 1969 strecken die Menschen ihre Dreckspfoten nach ihm aus, fangen an, ihn zu vermüllen (190 Tonnen Müll sind es jetzt schon), versuchen herauszufinden, wie sie ihn am besten ausbeuten und kaputtmachen können. Mit dem Rohstoff vom Mond können wir auf der vermüllten, ausgebeuteten und zerstörten Erde weitermachen: mit mehr Müll, mehr Ausbeutung, mehr Zerstörung, und/oder unseren Dreck dorthin verladen, dann sind wir die Sorge los.
Alan Wilson von Canned Heat war untröstlich darüber, dass die Menschen den Mond nicht Mond sein lassen, in Poor Moon (1969) singt er ein Lied davon:

Well, you sure look good
In the sky at night
And it’s sad to say
You won’t shine so bright
Some day
When they’re through with you

Das hatte ich doch schon mal verlinkt? Wie auch John Mayalls Nature’s Disappearing aus USA Union (1970) und vielleicht Annette Peacocks Rubber Hunger (1979), auch da ist das Leben aus den Fugen geraten:
Life has gone asunder / she’s a slave to rubber hunger.
Sklave des Gummihungers ist, wer im Baumarkt angesichts der Menge an Plastikprodukten nicht hintenüberfällt.
Die Verwandtschaft verwies zudem auf den Song Slower Than Guns (1970) von Iron Butterfly, in dem Doug Ingle mit samtenem Timbre von lauter hässlichen Dingen singt, Miles and miles of gasoline fumes / In the air like transparent tombs, was bildlich ganz nah an Alan Wilson ist:

I bet you’ve seen the cloud we make
That covers up LA
I wonder if you’ll hide behind
A shroud like that some day

(Ich wette, du hast unsere Wolke gesehen, die LA einhüllt. Ich frag mich, ob du dich eines Tages auch hinter so einem Leichentuch verstecken wirst.)

Eine Radioreportage über die Papierindustrie in Indonesien und den Aussagewert von FSC-Zertifikaten („Papier aus verantwortungsvollen Quellen”) habe ich trotz eingehender Suche nicht wiedergefunden, aber der untenstehend verlinkte Artikel behandelt dasselbe Thema, auch die Korruptionsmaschine TÜV Rheinland kommt vor, der für alles eine Plakette gibt, wenn die Summe stimmt.

Zertifikate für ein gutes Gewissen (tagesschau.de, 2.3.2023)

Außerdem:
Sophia Boddenberg, Die dunkle Seite der Zellulose (Deutschlandfunk, 21.6.2019)

So wie jeder Verkehrstote das BIP steigert, verspricht die Vernichtung von Paradiesen Gewinne.

Ich bin nicht depressiv, ich bin nur hoffnungslos.

Wie oft, hat die Überschrift mit dem Text nichts zu tun. Sie bezieht sich auf die Hansakekse der Firma Wikana aus Lutherstadt Wittenberg, die ich gerade knabbere.

Übrigens, ich suche/brauche einen neuen Job, Teilzeit, so drei Tage, ab April 2024.

Silvester-Pop & Jazz-Gold

… und zum vorläufigen Schluss ein wieder mehr puristisches Jazzstück, gespielt von María Grand, Tenorsaxophon, Kanoa Mendenhall, Bass, und Savannah Harris, Schlagzeug.
Die Komponistin (M.G.) erklärt zum Titel:
„Whabri signifies an imaginary animal that is half whale half hummingbird (in Spanish, Colibrí). This song seeks to express a being of extremes, both heavy, light, fast and nimble and large and imposing; an embodiment of additive truths as opposed to exclusive ideas.”
Der Track ist aus dem Album Reciprocity, das 2021 bei Biophilia Records erschienen ist.

*** PROGRAMMZETTEL ***

Hundi May You Sing Like No One Is Listening (2011)
2. Charlotte Adigéry & Bolis Pupul Haha (2022)
3. Annette Peacock Survival (1979)
4. Palais Schaumburg Telephon (1981)
5. Rosalía Delirio De Grandeza (2022)
6. Mary Halvorson & Amirtha Kidambi Accurate Hit (2018)
7. Cécile McLorin Salvant Ghost Song (2022)
8. & 9. Don Cherry Nonet Eternal Rhythm Pt. I: Baby’s Breath / Sonny Sharrock / Turkish Prayer / Crystal Clear (Exposition) / Endless Beginnings / Baby’s Breath (Unaccompanied) (1968)
Pt. II: Autumn Melody / Lanoo / Crystal Clear (Development) / Screaming J / Always Beginnings (1968)
10. Yelle Karaté (2020)
11. Lounge Lizards Voice of Chunk (1989)
12. María Grand / Kanoa Mendenhall / Savannah Harris Whabri (2021)

Denk ma an die Liebe

(Wandschrift Berlin-Friedenau)

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schreibt mir eben diese Zeitung, die 1973 von Jean-Paul Sartre gegründet wurde. Ein Herr de Rothschild hält Anteile (als Hauptaktionär). In Kürze wird sie wohl freigeschaltet werden, wenn meine zwei Euro angekommen sind.
Den Newsletter bekomme ich bereits, Freitag widmete er sich dem Thema der Datenvergiftung. Offenbar gibt es Programme, mit denen man, zum Schutz seiner Persönlichkeitsrechte, Abbildungen seines Gesichts überkrickeln kann: damit unbrauchbar für die Gafa alias Google, Apple, Facebook (!), Amazon. In Zeiten der Gesichtserkennung sicherlich ein nützliches Werkzeug.

Eine positive Meldung der letzten Tage war, dass eine geplante Kupfermine in Norwegen nach dem Rückzug eines deutschen Produzenten nun möglicherweise doch nicht gebaut werden wird. Der Bericht erläuterte, dass „die Regierung in Oslo genehmigt hatte, den gesamten mit Schwermetallen und giftigen Chemikalien belasteten Grubenschlamm einfach in den Fjord zu leiten”, und zwar über die gesamte, mit fünfzehn Jahren angegebene, Laufzeit der Mine hinweg, s. hier.
Die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg sah darin kein Problem, und auf die Rechte der Samen hat sie auch keine Rücksicht genommen.
Es ist doch immer wieder verblüffend, wie skrupellos und niederträchtig manche Leute handeln. Erna Solberg ist sicherlich nicht einmal die Schlimmste in diesem Verein.
Zusammen mit den guten Nachrichten aus Grönland gibt das – hoffentlich! – Aus für die Kupfermine der Hoffnung Nahrung, dass ein Umdenken einsetzt und es mit der Ausbeutung von z.B. Bodenschätzen vielleicht doch einmal ein Ende nimmt. (Wobei der Chef der US-amerikanischen Verwaltung ja ein Freund des Frackings ist, leider.)
Ich wünsche mir, dass uns ein besseres ökonomisches Modell einfallen möge als das der Räuber- und Plünderwirtschaft.

Nicht nur Bob Dylan, Captain Beefheart und Charlie Watts wurden 1941 geboren wurden, sondern auch Annette Peacock, die Anfang der 70er Jahre groß in den Musikzirkus hätte einsteigen können (an der Seite David Bowies), sich aber dagegen entschied. Aus Anlass ihres Geburtstages – wann der genau ist, weiß ich nicht – sind zwei ihrer Platten wiederveröffentlicht worden, X-Dreams und The Perfect Release.


Bei meinem Versuch, Licht in die mir dunkle Bedeutung des Worts – und einstigen Berufs – Seneschall zu bringen, das ich in den schönen Erzählungen der Marie de France gelesen hatte, wurde ich auf das Wort Truchseß verwiesen.

Demnächst trifft sich, allerdings nur per Computer, die Rebellionsgruppe der Extinction Rebellion, der ich mich anzuschließen gedenke, es sei denn, ich würde zum Ergebnis gelangen, dort nicht gut aufgehoben zu sein. Die Bezeichnung meiner Rebellionsgruppe ist ganz friedlich: Earth Holders. Mal sehen. Eine Arbeitsgruppe würde mich ebenfalls interessieren: Regenerative Kultur. – Alles Neuland für mich, mehr als dieses Internet, und vielleicht finde ich es auch schrecklich, das sehe ich dann.
So, wie es geht, geht es nicht weiter.

Gestern habe ich mir das ‚Triell‘ mit Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet angesehen. „Anne Will” war ich drauf und dran ebenfalls zu gucken, aber allein schon die Präsenz Christiane Hoffmanns vom Spiegel und Jana Hensels von der Zeit haben mich davon abgebracht. Kevin Kühnert wirkte aschgrau und hatte eine Bittermiene aufgesetzt, die ich auch nicht leiden kann. , möchte ich da mit einem Ausdruck meiner Freundin Hanna sagen und das Thema abschließen.

Playlist zur Wahl, und Street Art

Und wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, so würde ich noch heute mit einer Schrottpresse durch die Straßen fahren und alle SUVs zusammenfalten.
Schrott ist ein niederrheinisches Wort, siehe Wikipedia.
Ich denke an Césars hydraulisch zerquetschte Autos. Er hat das schon 1960 gemacht. – Bei dieser Gelegenheit auch Gruß an Wolf Vostell, der anlässlich seiner Skulptur Ruhender Verkehr (1969) erklärt: „Das Auto in Zement einzufrieren ist eine Möglichkeit, mit dem Auto umzugehen […].”

Vostells Berliner Arbeit Zwei Beton-Cadillacs in Form der Nackten Maja von 1987 dagegen leider weniger überzeugend.

„Mehr als eineinhalb Millionen unerforschte Virenarten leben weltweit in Wildtieren und wenn es ganz schlecht kommt, könnten 850.000 davon auf Haustiere oder Menschen überspringen”, referiert in einem Kommentar zum Bericht des Weltdiversitätsrats die Wirtschaftsredakteurin des Deutschlandfunks Jule Reimer, nachzulesen hier. Just so you know. Und jetzt wähle: Noch weitere hundert Jahre Straßen und Flugverkehr und Intensiv-Landwirtschaft, oder doch mal wieder Wald und Wiesen, nicht bis ins letzte ausgebeutete Böden?
Die politisch Verantwortlichen, die ihre Weiterbeschäftigung in der Wirtschaft nicht gefährden wollen, wenn ihre politische Laufbahn einmal zu Ende geht, wird der Warnruf selbstverständlich nicht erreichen, und, tut mir leid, solange sie sich weigern, verantwortlich zu handeln, muss ich jenen Störenfrieden Recht geben, die sich von Autobahnbrücken abseilen, Wälder besetzen, Kunstblut vergießen und mit Sitzblockaden versuchen, die um neun Jahre verspätete Eröffnung des Flughafens Berlin-Brandenburg weiter zu verzögern (was ihnen natürlich nicht gelungen ist).
Warum hat es eigentlich so lange mit dem BER gedauert?
In einem Bericht des RBB wurde erwähnt, dass die Arbeiter jahrelang nach Stunden bezahlt wurden.

Zur Beruhigung der Nerven anlässlich der Wahlen in den USA hier eine kleine kommentierte Musikauswahl, die nicht unbedingt themenbezogen ist, außer dass die meisten Stücke von US-amerikanischen Künstlerinnen und Künstlern stammen. Ausnahmen sind Snakefinger (England) und Yelle (Frankreich). Die Reihenfolge des Hörens – wer den Wunsch hätte, alle Stücke zu hören – ist frei, aber Thelonious Monks Hymne sollte als erstes gespielt werden, um den dem Anlass angemessenen feierlichen Ton zu setzen.
Ich habe die Stücke so ausgewählt, dass (hoffentlich) ein positiver Vibe überwiegt.

Teddy Charles Laura (1957)
Teddy Charles, einer der Leute, die in den 50er Jahren Improvisation und Komposition verbunden haben, eher zulasten der improvisierten Teile, was Charles Mingus genervt hat, der hier sehr schön Bass spielt. Die Platte, auf der das Stück enthalten ist, trägt den Titel Word from Bird.
Miles Davis & Milt Jackson Quintet Changes (1955)
Ein entspanntes Stück, mit einem feinen Klaviersolo am Schluss von Ray Bryant.
Bill Frisell Is It Sweet? (1992)
‚Amerikanische’ Musik, ziemlich clean (klinisch) gespielt und aufgenommen, aber doch schön und als Auslöser innerer Bilder sehr gelungen.
Dizzy Gillespie Something In Your Smile (1967)
Dizzy Gillespie als Sänger. Meine Lieblingszeile: „Something in you is everything that I never knew before …”
Angel Olsen California (2017)
Ich hätte auch ein anderes Stück aus Phases wählen können, z.B. „For You” oder „How Many Disasters”, aber hier kommt Angel Olsens ein bisschen meckernder, ein bisschen schluchzender Gesang gut zur Geltung, und es gibt auch einen kleinen Blueseinschlag, den ich sehr mag.
Annette Peacock Pony (1972)
Nicht Annette Peacock vergessen!
Nina Simone Baltimore (1978)
Noch ein Klassiker. In Baltimore sieht’s heute hoffentlich besser aus, aber weiß man’s?
Snakefinger Bring Back Reality (1982)
Wegen des Titels, klar, aber auch sonst sehr cool.
Solange Rise / Weary (2016)
Solange hab ich ganz gern. Das Überkandidelte und auch Übersexualisierte, das sonst in ihrer musikalischen Familie anzutreffen ist, fehlt ihr weitgehend. Sie scheint ein vergleichsweise nüchterner Patron zu sein, mit einem guten Geschmack. Aaliyah ist ja leider tot, aber Aaliyahs zurückhaltender Gesangsstil lebt hier weiter.
Sun Ra Retrospect (1984)
Sun Ra hat bei einem Fernsehauftritt dieses Stück (aus dem Album Nuclear War) mit dem – positiven, friedenschaffenden – Potential der Menschheit in Verbindung gebracht, also ein must nicht nur für diese Wahlnacht.
Lennie Tristano Lullaby Of The Leaves (1965)
Von Lennie Tristanos Klavierabend gibt’s noch mehr Material im Internet, jeden Clip guckt man sich gefesselt an. Herbst ist ja jetzt.
James Blood Ulmer Are You Glad To Be In America? (1980)
Im Kontext dieser Playlist eines der wildesten Stücke. Der mittlerweile 78-jährige Gitarrist hat denselben Song mindestens noch einmal aufgenommen, Link folgt.
Yelle Émancipense (2020)
Ganz ganz ganz ganz selten höre ich elektronische Tanzmusik, z.B. Yelle, hier aus ihrem jüngsten Werk.
Lester Young, Roy Eldrige and Harry Edison Please Don’t Talk About Me When I’m Gone (1958)
Lester Young spielt recht müde, es ging ihm auch nicht gut, aber ich will keine Note verpassen. Die anderen Musiker unendlich rücksichtsvoll, ziehen nach Pres‘ Solo langsam das Tempo an – rührend!