dissing zebras

Nun, da ich glücklich meinen Arbeitsplatz zu Hause hergerichtet habe – nächste Woche werde ich von hier aus arbeiten -, hat, pünktlich zum Wochenende, der altgediente Bildschirm meines PC seinen Geist auf- oder zu erkennen gegeben. Das Bild löste sich in eine Farbwolke auf, die sich zu verzerrten horizontalen Linien fügte. Kein Drama. Schwerwiegender ist, dass meine früheren Arbeitgeber (≠ Geldgeber) den Server gewechselt haben und mir dies erst nach erfolgtem Wechsel mitgeteilt haben. Theoretisch hätte ich meine Mails vielleicht noch retten können, praktisch aber kam die Nachricht zu spät, so dass nun meine sämtliche Korrespondenz seit Anfang 2012 verloren ist. Um Späßen dieser Art künftig vorzubeugen, habe ich jetzt ein Mailkonto bei Posteo eingerichtet – überraschenderweise eine Sache von nur zwei Minuten.

[Hier war ein Video von Tomeka Reid.]

Freitag war ich lange auf. Es gab eine Lange Nacht zu Wolfgang Welt, das ging bis 3 Uhr (beinahe Wildschweinzeit: sie waren gegen 4.30 Uhr hier eingebrochen). Zum Nachhören: „Ich schrieb mich verrückt.” Die Lange Nacht über den Schriftsteller Wolfgang Welt.
Mein Bruder B. hatte die Zusatzinfo, dass der Autor der Sendung, Martin Willems, aus Kevelaer stammt. Hey!
Jetzt muss ich natürlich auch mal was von Welt lesen, kenne ihn ja nur dem Namen nach. Im Laden haben wir das Buch, das Pit Engstler gemacht hat, Welts letztes, damit geht’s los.

Per Newsletter erfuhr ich von einem Soloauftritt von Charlotte Greve (Lisbeth Quartett, Wood River) bei Art Is Live, „a platform to show the work of a collective during the quarantine”, aus ihrem New Yorker Wohnzimmer gesendet, den ich mir zeitversetzt angesehen habe: Charlotte Greve [20.6.2020].

Hab ich sonst was zu erzählen?

Oben ein Beispiel für ‚Cello im Jazz’. Seit meinem einmaligen (okay: zweimaligen) Mitspielen im Neuköllner Streichquartett der Dichterin, des Komponisten und der Schriftstellerin habe ich mein Cello nicht mehr angerührt. Nein, stimmt nicht. Danach habe ich noch einige wenige Male mit Bertram Musik gemacht, hier, Im Dickicht.

Ik eet ontbijt en lees de krant

Coole Geste vom Papst, außer der Reihe den Segen Urbi et Orbi zu spenden, auf menschenleerem Petersplatz.
Am Mauerpark hat jemand – mit dem Schriftzug „Mein Schatz!” – Gollum gesprayt, eine Rolle Toilettenpapier an Stelle des Rings, was mich an die zauberhafte Werbung für ein Durchfallmedikament erinnert, immer kurz vor der Tagesschau.
3Sat sendet heute Pop around the Clock, und wer immer der Redakteur ist, der sich dies öde Programm ausgedacht hat – die lebendige Verbindung zum Musikgeschehen muss er vor dreißig Jahren gekappt haben (Ariana Grande ist die einzige Künstlerin mit Gegenwartsbezug, soweit ich sehe – leider nicht so mein Fall). Überhaupt ist das Fernsehen mumifiziert. Weg damit!
Oder alles neu machen – wär mir auch recht. An sich mag ich nämlich das Fernsehen. Aber es ärgert mich, dass die Anstalten einen so unambitionierten Gebrauch davon machen. – Mich nerven auch die Vogelscheuchen in den Nachrichtensendungen, Ina Ruck, die ihre Augen immer so irrsinnig aufreißt, die schrullige Annette Dittert oder – ah, ich hab vergessen, wie die Berliner Schranze heißt. Um nur ein paar zu nennen.
Fernsehen also nur in geringer Dosis.
Gestern habe ich mir aber Wild von Nicolette Krebitz mit der unvergleichlichen Lilith Stangenberg angesehen. Nur ist das kein Fernsehen, sondern Kino. Und alle Talkshows sind auch kein Fernsehen, sondern Radio, Bildfunk meinetwegen – lasst die Bilder weg: geht nix verloren. Was hat das Fernsehen als Fernsehen zu bieten?

Bandcamp-Banner, von Ansgar Reul

Mein Bandcamp-Account ist jetzt soweit eingerichtet. Mein Neffe hat ein Banner gestaltet, und meine Mitbewohnerin hat ein Foto von einem schlichten „OLF”-Graffiti, das sie am Glascontainer um die Ecke gesehen hatte, beigesteuert. [PS 30.3.2020: Dieses habe ich durch einen weiteren Trompeter ersetzt, der mir heute noch nachgesendet worden ist. Keinerlei Ähnlichkeit mit mir, als Profilbild also hervorragend.] Layout_ProfilMeine Musiksammlung ist ganz klein und eklektisch, aber ein großer Sammler bin ich auch nicht, sowieso.

Da die idiotische Uhrumstellung mich wieder aus dem Rhythmus gebracht hat, werde ich heute nicht viel zustandebringen. Ein paar Runden Duolingo, Radionachrichten hören, Alle Türen von Monika Rinck weiterlesen (Wiederlektüre), Musik hören (jetzt gerade auf dem Ohr: There Is Only Make), ein bisschen aufräumen. – Montag werde ich mein Fahrrad, dessen Vorderreifen wenig Luft hat, und das jetzt am S-Bahnhof Zehlendorf im Kalten steht, zur Reparatur geben. Viel wird nicht gemacht werden müssen. Allerdings brauche ich eine Luftpumpe. Dann kann ich wochenends ein bisschen durch die Gegend juckeln, was – außer zu Hause zu bleiben – vielleicht die beste Möglichkeit ist, den Leuten auszuweichen, den unvermeidlichen.
Uli von der Buchhandlung bot mir an, zu pausieren solange ich will und dann wieder anzufangen. Nur Ende April werde ich ihn vielleicht für einen Tag vertreten, kurz nach dem Koningsdag.

OT

Gestern, nach Tief Axels großer Regenschütte, überall zermürbte Kiefernzapfen und abgepeitschte Zweige, mit Sand, zerfallenen Blüten vermischt. Dann, kurz vorm Haus das ins Halblicht gebuckelte Schwarz in Mitte der Straße: ich machte einen Bogen darum, ohne zu erkennen, was genau es war, eine Pfütze oder eine Katze. Morgens tropften schon wieder Spatzen aufs Trottoir und suchten sich ihrs.

Ansonsten bereite ich mich darauf vor, den Schluss der Jahrestage zu lesen, die Seiten 1391 bis 1891. Neulich hatte ich mir schon die Neufassung des TEXT + KRITIK-Hefts zu Johnson gekauft (2001, als Ergänzung zur bereits vorhandenen Edition von 1980) und ein Buch zum Thema Johnson und die DDR bestellt, das nächste Tage eintreffen müsste. Wenn die 20-Stunden-Woche kommt … Aber kommt sie? Lieber nicht darauf verlassen! Dr. B. riet zum Aufstehen um fünf, morgens könne man was schaffen. Doch dann müsste ich jetzt schon im Bett sein … Nein, das Lesen muss eingepasst werden in einen Tag, der um sieben in der Frühe beginnt und um eins in der Nacht endet: sechs Seiten nach dem Aufstehen, drei Seiten in der S-Bahn, eine halbe Seite abends, maximal.

Ich sollte noch ein bisschen Werbung machen für Sediments We Move, denn ich bin am Zustandekommen dieser Aufnahme interessiert. Aber heute möchte ich nur auf den vorangegangenen Eintrag verweisen: Feine Stoffe

und etwas anderes posten, nämlich Cecil Taylors Luyah! The Glorious Step (1958) und Nilüfer Yanyas Baby Luv (2017). Enjoy!

https://niluferyanya.bandcamp.com/track/baby-luv

Feine Stoffe

Sediments We Move heißt die neueste Komposition von Charlotte Greve, für deren geplante Studioaufnahme sie gerade auf kickstarter Geld einsammelt, s. hier.
Sie hat das einstündige Werk für ihr New Yorker Quartett Wood River und den Berliner Chor Cantus Domus geschrieben; es erzählt, so die Beschreibung, „von der Erkundung des eigenen Charakters, von der Suche nach dem Ursprung der eigenen Persönlichkeit. Ein Prozess, dem viele Menschen in der einen oder anderen Form im Laufe ihres Lebens begegnen.”

Die Belohnung für eine Spende von sechzig Euro oder mehr („Einer der SWM Musiker kommt zu dir mit LP + Downloadcode + Kuchen”) würde mir gefallen haben, doch habe ich mich für die Option „Musikalische Nachricht von Charlotte” entschieden. Bis zum 17. Juni hat Charlotte Greve Zeit, die noch fehlenden siebentausend Euro zusammenzubekommen. Ich drück Daumen, dass es ihr glückt.

Ein Anzug

Gestern war, umrahmt von Haschischzigaretten, die erste Anprobe. Wahrscheinlich wird der Anzug im Sommer fertig, vielleicht im Herbst. Bis dahin wird es mindestens noch eine weitere Anprobe geben, irgendwo im Sauerland vermutlich. Die Farbe des Stoffes, den mein Bruder ausgewählt hat, ist nicht ganz leicht zu beschreiben, vielleicht trifft Grünbraun es am besten, oder Braungrün. Allerdings ein Grünbraun, das mit blauen Fäden durchwirkt ist. Der optische Eindruck ist daher auf den zweiten Blick nicht so konservativ wie befürchtet, zumal mir auch empfohlen wurde, die Hose, damit sie optimal sitzt, nicht mit einem Gürtel, sondern mit – farbigen oder farbig gemusterten – Hosenträgern zu tragen (solche, die sich ungefähr auf Schulterhöhe teilen). Mein Bruder sprach auch von Einstecktüchern, Fliegen, Krawatten und so weiter, aber mindestens mit Einstecktuch und Fliege sehe ich mich nicht herumlaufen, ich heiße ja nicht Martin Mosebach.
Zu welchen Gelegenheiten so ein Anzug zu tragen wäre – mal sehen. Ich bin zu einer Hochzeit eingeladen, die anzugtechnisch aber zu früh kommt, und weitere Hochzeiten sind erst mal nicht in Sicht, was okay ist. Ich bin kein Freund von Zeremonien.
Es wird also eher so sein, dass ich nach Jahrzehnten der Abstinenz mal wieder in die Philharmonie gehe (oder in den Kammermusiksaal, oder in den Pierre Boulez Saal, in denen ich überhaupt noch nie war) und mich dafür in Schale werfe.
Auch die Komparsenagentur sieht immer gern, wenn ein Anzug vorhanden ist.

Nächste Tage kommt meine Großcousine vorbei – wir haben uns neulich zum zweiten oder dritten Mal überhaupt gesehen -, die für ein paar Monate mein Violoncello ausleihen wird, das hier doch nur unnütz herumsteht in seinem schwarzen Sarg. (Ich hatte ihr, ich weiß nicht warum, von John Cages Water Walk erzählt, nicht wissend, dass sie beim Musikfestival Klangwelten zum Thema „WASSER trifft MUSIK” mitarbeitet, das im März von der Landesmusikakademie Berlin im Freizeit- und Erholungszentrum alias FEZ veranstaltet wird. Und übrigens habe ich ihr nichts Neues erzählt, den Water Walk kannte sie schon.)

Heute werde ich, mehr aus Pflichtbewusstsein denn aus Neigung, einen kleinen Spaziergang unternehmen, um meinen, laut Labor, „grenzwertig niedrigen” Vitamin D-Wert aufzupeppen. Außerdem habe ich vor – möglichst als tägliche, mindestens aber wöchentliche, Aufgabe für die nächsten Monate – meine Apollinaire-Übersetzung zu revidieren. Ein weiterer Programmpunkt ist das Erlernen, mittels eines interaktiven tutorials, der Datenbanksprache SQL, was ebenfalls einige Wochen in Anspruch nehmen wird. Keine Langeweile also.

Meine Märzplatte (CD in diesem Fall) wird There Is Only Make des Lisbeth Quartetts um Charlotte Greve sein.
Aus dem Infomaterial des Traumton Labels:

Der Name des Albums hat, wie manche Songtitel, mit Charlotte Greves Leben in New York zu tun. Es handelt sich um eine der „10 rules for students and teachers“, die größtenteils von Corita Kent verfasst und von John Cage ergänzt und verbreitet wurden. Regel Nummer 6 besagt, „Nothing is a mistake. There is no win and no fail. There is only make.“

Ich bin über einen Radiobeitrag darauf gekommen: „Homecoming mit der eigenen Band. Charlotte Greve vom Lisbeth Quartett”.