Hallo Schatzi

Sonntag morgen auf dem Weg zu W., maunzig vom Straßenrand: „Hallo Schatzi! Willst du ficken?”
Unterschied zu Kevelaer. Da um diese Zeit vielleicht ein Ave Maria, oder eine mittelalte Frau sagt zu einer andern mittelalten Frau, während sie ihre leise klingelnden Fahrräder über den Kapellenplatz schieben (Kettenschutz schnaubend): „Ich geh immer nach Holland für Pferdefleisch kaufen …”
Am Bildrand Kinder, stolperig: Eistüten in den Patschen, das Eis tropft, die Nasen tropfen, Trauerränder unter den Nägeln, Zucker und Schnodder um die Schnauzen.

Gestern abend, spät, Kreischen aus dem Nachbarhaus.
„‚Du hast meinen Vater erstochen’”, gab P. gleichmütig wieder.
Wir gingen lauschen. Erregung in immergleichen Sätzen und Ausrufen, kreischig, sich überschlagend.
Wir hörten dann beide:
„Ich habe einen Wasserrohrbruch!”
Wahrscheinlich am Telefon alles, keine weiteren Stimmen.

4 Kommentare zu „Hallo Schatzi“

  1. – oh du machst schon was mit,
    „der Kettenschutz schnaubend bei dem Kopfsteingerüttel”
    dafür sollte man dich für den Ingeborg Bachmann-Preis vorschlagen …
    LG vom ‚Lower-Rhine‘ T.

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  2. Bloß nicht! (Nicht, dass da eine Gefahr bestünde.) – So ein Satz wie der eingangs zitierte ist natürlich einstudiert, nicht viel anders als das überfröhliche „Schönen Tag noch!” an der Kasse. Et is alles Kapitalismus. Einmal, Jahre her, habe ich auf eine Floskel ‚falsch‘ reagiert. Eine englischsprachige Kassiererin in einem englischsprachigen Land, jovial: „How are you?” – ich: „Good!” (anstelle des korrekten „Fine!”). Kurze Irritation.

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  3. Taff – äh, meine: tough! – dat alles. Unterschätze (oder soll ich sagen: überschätze) Kevelaer mal nicht. Ich bin sicher, dass auch da ‚die Szene‘ ist.

    Warst Du Zeuge, als ein Radfahrer im schönen Schöneberg stur seine Bahn hielt, weil er Recht hatte, obwohl das Trottoir zum Ausweichen reichlich Raum bot, und die falsch entgegenkommende etwas verträumte Radlerin anschnauzte, sie solle wenigstens kucken, wenn sie schon falsch fährt, und wie ich meinen Mund nicht halten konnte und ihn freundlich einlud, doch anzuerkennen, dass Berlin groß genug sei, dass Platz für alle und alles wäre, und er daraufhin über die Schulter brüllte: „Jetzt mischt sich auch noch die dumme Kuh ein!”?

    Ah, Frieden und Demokratie! Mit dem aufgeschnappten halben ‚Gespräch‘ vom Nachbarhaus kann’s freilich nicht mithalten.

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  4. Oh, bestimmt auch da. Je nachdem, wie die Blume hinter der Gardine gedreht ist, zur Straße hin oder ihr abgewandt – es kann ein Zeichen sein, hab ich gehört („Mein Mann ist nicht / ist zu Hause.”)
    Danke für die schöne Anekdote. Ja, ich hab’s mit verfolgt und neulich auch L. erzählt, als sie meinte, die Leute hier seien alle so freundlich. Meistens stimmt’s ja.

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