Vierzig Entwürfe

Heute habe ich gesehen, dass die neue Platte von Kimbra, A Reckoning, mittlerweile einen Veröffentlichungstermin hat (27.1.2023), und dass auch das Cover enthüllt wurde, auf dem sie wie die Franz von Stuck’sche Sünde aus der Wäsche schaut. Warum auch nicht. Ob mir die Musik dann am Ende gefällt, ist nicht sicher. Vows, The Golden Echo und Primal Heart haben mir gefallen – A Reckoning … mal sehen. Aber Kimbra als Individualistin, die ihre Musik so macht wie sie es meint, hat so oder so meinen Respekt.
(Der gemeine Hörer wird sie nur als Stimme neben Gotye im Über-Hit Somebody That I Used To Know kennen, der sie seit 2011 verfolgt, wie einst Romy Schneider von ihrer Sissi-Rolle verfolgt wurde, so ungefähr.)

Auf der Arbeit sind gerade wieder einmal die jährlichen performance reviews fällig (self review, manager review, peer reviews).
Please share your accomplishments. What work are you most proud of?
Diese Texte zu schreiben, fünf diesmal, ist kein Vergnügen. Ich habe aber zu einer gelasseneren Haltung gefunden.
Mittwoch muss alles im Kasten sein.

Eine Nachricht, die jüngst die Runde machte, erinnert daran, dass die Erdverwüstung nicht auf Ratschluss der Götter erfolgt, sondern auf Profitinteressen beruht: Sie ist (ursächlich) keine Katastrophe, sondern ein Verbrechen. Es gibt Täter, die namhaft gemacht werden können; vor Gericht bleiben sie straffrei – vorerst.
Das alles ist natürlich nicht neu, und auch ich, der ich mein mit Palmfett gebackenes Plätzchen in den Kaffee soppe, bin schuldig.
Klimawandel. Forscher machen ExxonMobil schwere Vorwürfe (Deutschlandfunk, 12.1.2023)
[Edit. – Weitere Meldungen, um pessimistisch zu bleiben: Deutsche befürworten schnelleren Neubau der Autobahnen (Der Spiegel, 15.1.2023). – Neue Regeln für Parkplatzbau. Parkplätze sollen in Deutschland deutlich größer werden als bisher – so will es das zuständige Fachgremium. Autos würden eben stetig wachsen. (Der Spiegel, 15.1.2023)
Dies steht im Widerspruch zu meiner (positiven) Vision der Mobilität der Zukunft: Abriss aller Autobahnen, Autobahnzubringer, Autobahnbrücken; Renaturierung der Flächen; Abschaffung des Individualverkehrs; regionale Organisation des Arbeits- und Alltagslebens; Umstieg aller Verkehrsteilnehmer auf Eisenbahn, Bus, Fahrrad, Fuß.]

Hier ein weiteres Meisterstück von Miss Grit, bürgerlich Margaret Sohn, aus plural-ihrer schlage ich für den Moment als Übersetzung des englischen their vor Impostor-EP, die vor einem Jahr erschienen ist.

I wish I was blonde
Walking back home I’ll sing along
Tracking their words from all their songs
I don’t hear how I sound wrong

I wish you were calm
You find your voice so fun
Can’t understand no one
When all you can do is talk on

I’ve got nothing to say
I’ve got nothing to say
I’ve got nothing to say
I’ve got nothing to say

I’ve got nothing to say
I’ve got nothing to say
I’ve got nothing to say
I’ve got nothing to say

♪ ♪ ♪ ♪ ♪
♪ ♪ ♪ ♪ ♪
♪ ♪ ♪ ♪ ♪
♪ ♪ ♪ ♪ ♪

Die zwei Strophen, die davon sprechen, dass das lyrische Ich nichts zu sagen habe – kontrastiert von der zunehmend lauter aufspielenden Band – werden im verlangsamten Schlussteil des Songs aufgenommen, aber ohne Worte, mit geschlossenem Mund; die Gesangsstimme ist so stark verfremdet, dass sie nur noch Sound ist. Das ist ein starkes gestalterisches Konzept.

Die nächste Woche wird voll: Buchhandlung, Übersetzer-Stammtisch, Ultraschall Berlin Festival, Arbeiten, Französisch (Skype), und im Kammermusiksaal ist auch was, Mittwoch. Und wollte ich nicht auch meine Kritik weiterschreiben? Wann soll ich das hinkriegen?

Oh, fast hätte ich vergessen, dass ich mich unlängst wie Bolle gefreut habe, als ein selbstgebasteltes Notizbuch der von mir geschätzten Saxophonistin, Komponistin, Dozentin, und was nicht alles, María Grand im Briefkasten lag. Muss ich mich noch bedanken.

Wildling, der

Eine Nachricht des Deutschlandfunks:
„Die ersten beiden deutschen Terminals für die Lieferung von flüssigem Erdgas werden deutlich teurer als geplant. […] Danach waren für die Anschaffung und den Betrieb der schwimmenden LNG-Terminals in Wilhelmshaven und Brunsbüttel ursprünglich knapp drei Milliarden Euro vorgesehen. Inzwischen sind es rund sechseinhalb Milliarden Euro.”
Denkbar, dass es am Ende neun Milliarden Euro sein werden. Warum auch nicht!
Take my money!
Geld für fossile Energieträger, im Jahr 2022, unter einer Regierung, bei der die Grünen das Wirtschafts- und das Umweltministerium verantworten.

Bundeskanzler Olaf Scholz möchte darüberhinaus die Gasförderung im Senegal finanzieren:

Neue Gasförderung im Senegal: Deutsche Umwelthilfe, urgewald und Klima-Aktivist Yero Sarr fordern klare Absage der Bundesregierung (Pressemitteilung der Deutschen Umwelthilfe, 21.7.2022)

Gestern haben meine Schwester und ich bei einer Baumpflanzaktion von aufBuchen e.V. mitgemacht. Wir sind über Isabel Fargo Coles Waldschaffen-Initiative darangekommen. Prima Sache!
In Berlin-Gatow, wo die Traubeneichenwildlinge gepflanzt wurden, war es empfindlich kalt, und ich beglückwünschte mich dazu, meine lustige Mütze (mit den Bommeln) dabeigehabt zu haben.
Immerhin, in den Waldboden hatte der Frost seine Zähne noch nicht gesenkt. „Butterweich” (das Wort fiel) hätte ich ihn zwar nicht genannt, aber es ging ganz gut, ganz gut.
Leider sind zwanzig Leute, die sich verbindlich angemeldet hatten, nicht erschienen, so dass weniger Bäume ein neues Bett fanden als beim letzten Mal (offenbar haben die Säumigen es sich erst spät anders überlegt, denn andernfalls hätten die freien Plätze mit Leuten aus der Warteliste besetzt werden können; so aber blieben Lücken), andere tauchten mit einer Verspätung auf, die jeder Diva zur Ehre gereicht hätte. Da kamen zwei Dinge zusammen, die ich nicht schätze: Unzuverlässigkeit und Unpünktlichkeit.
Das Bäumepflanzen selbst war trotz Schniefnasen eine schöne, befriedigende Arbeit, auch erschöpfend allerdings.
Förster Christian nannte zwei Prozentzahlen aus dem letztjährigen Waldzustandsbericht des Landes Berlin: 94% der Berliner (Wald-)Bäume sind krank, nur 6% sind gesund, oder besser: „weisen keine sichtbaren Schäden auf”.

Neulich brachte der Deutschlandfunk in seiner Sendung Milestones ein Porträt des Duos Jeanne Lee und Ran Blake. Der Beitrag von Michael Frank, Dialog auf Augenhöhe, ist noch ein paar Tage online – empfehlenswert.

Besagter Meilenstein, The Newest Sound Around (1962), das Schallplatten-Debüt der beiden Künstler, ist bei YouTube zu finden. Hier daraus der Song „Where Flamingos Fly”:

Walgesänge der einfahrenden Bahn

Eine Meldung ließ mich aufhorchen: Trotz interner Warnungen. Verteidigungsministerium kauft deutlich überteuerte Tankschiffe. Wie kann das sein? Der Bundesrechnungshof und interne Prüfberichte des Beschaffungsamts warnen vor dem (um schätzungsweise 250 Millionen Euro) überteuerten Kauf zweier Tankschiffe beim Bremer Rüstungsunternehmen NVL – und die Leitung des Beschaffungsamts empfiehlt den Deal, und wünscht sich von der Belegschaft, die Entscheidung loyal mitzutragen (laut Notiz des Deutschlandfunks, siehe oben). Das Bundesverteidigungsministerium stimmt zu.
Christine Lambrecht ist mir ebenso unsympathisch wie ihre Vorvorgängerin Ursula von der Leyen, und ich finde, dass sie dumm aussieht. Doch ich glaube nicht, dass sie korrupt ist (allerdings glaube ich auch nicht, dass sie Korruption bekämpft). Aber bei Dr. Ruth Brand (Präsidentin) und Karsten Scholtz (Abteilungsleiter Beschaffungen) vom Beschaffungsamt würde ich doch einmal auf ungewöhnliche Kontobewegungen und/oder Urlaubseinladungen achten – zum Beispiel seitens der Geschäftsführung von NVL oder der Lürssen-Werft.

Zum Weiterlesen: Korruption (Wikipedia).

Esperanza Spalding, Funk the Fear – Live your Life

Gestern vom Familientreffen zurückgekommen. Es war schön, die Bagage mal wiederzusehen. Der Austausch eher oberflächlich, war aber okay. Was soll man auch reden? Erzählen, was in den drei oder vier Jahren seit dem letzten Mal gewesen ist? Das wäre ein Anfang, verlangt aber eine Konzentration auf den anderen, die außerhalb einer Zweierkonstellation weder möglich ist noch höflich wäre.

Ich klinge negativ, wenn ich über Familie schreibe … (haha, das meiste, was ich geschrieben habe, habe ich gelöscht) – doch als die Doodle-Umfrage gestartet wurde, habe ich jeden Termin angekreuzt. So schlimm kann es um meinen Familiensinn also nicht stehen. Dennoch halte ich Familie (und Ehe) für überschätzt, übrigens auch für überholt. Wir fahren ja auch nicht mehr im Fiaker durch die Gegend.
Nicht für überschätzt halte ich das freie Bekenntnis zu einem Menschen, und die damit einhergehende Entscheidung für Verantwortung, Verlässlichkeit und Treue.

Die CD von Cate Le Bon (Pompeii), die ich H schenkte, in deren Gästezimmer ich unterkommen durfte, hat ihr nicht gefallen, dafür die CD von Rosalía (El Mal Querer), die ich erst kurz vor Abfahrt gekauft und darum mit eingepackt hatte. Diese wollte ich jedoch nicht abgeben, konnte sie in Kevelaer aber auch nicht nachkaufen (nicht einmal bestellen). Jetzt wird H Pompeii an F weiterverschenken und dafür die neue Platte Rosalías bekommen, Motomami, wenn sie dann ankommt.
Im Jazz begeistert mich gerade Adam O’Farrill am meisten. (Oh, Tomeka Reid ist auch toll.) Ich nehme es als Kompliment, dass der zuständige Juror für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik meine Formulierung bei Bandcamp etwas verändert aufgegriffen hat.
Bei mir heißt es: „Die Mischung aus Struktur, Feuer und Lakonie ist einzigartig.”
Er spricht von einem „Wechselbad von Struktur und Freiheit, Feuer und Lakonie.” Na bitte!
Auch das frühere Album des Adam O’Farrill Quartetts, El Maquech, ist phantastisch.

Rosalía feat. Tokischa, LA COMBI VERSACE

Über die Rotbuchen-Pflanzaktion im Norden Berlins vielleicht ein anderes Mal.

Sonntag mittag findet im silent green (Betonhalle) ein Benefizkonzert für die Ukraine statt.

A Garden of Forking Paths – Finale 2

Ukraine Fund Raising Konzert

Mehr zum Programm hier. Der Eintritt ist frei.
„Vor Ort werden Geldspenden in bar gesammelt und es wird zu Spenden auf ein eigens eingerichtetes Konto (Empfänger: Wir packen’s an; GLS Bank; IBAN DE46 4306 0967 1059 2396 02) aufgerufen. Diese kommen dem Brandenburger Verein „Wir packen’s an e.V.“ zugute, der musikpädagogische Projekte für durch Krieg und Flucht traumatisierte Kinder und Jugendliche organisiert.”

Das Konzert wird hier direkt übertragen (und kann später auch nachgehört werden).

Wir packen’s an – Nothilfe für Geflüchtete

Haben wir Vollmond, oder warum schlafe ich nicht?