Der Schreibtisch ist klebrig?!

Da, wo der Efeu seine stillen Verrenkungen macht – ungefähr vierzig Zentimeter rechts von mir – ist das Resopal klebrig. Ich nehme an, das ist nicht normal …? Kenn mich aber nicht aus. Was will Ivy mir sagen? Werd mal das vielwissende Internet befragen: „Efeu klebrig” ↩ enter.
Ich sehe die Notwendigkeit ein, mit der Natur ins Gespräch zu kommen (was ja vor allem heißt, den eigenen Ton leise zu drehen). Aber diese eine Primelblüte, die an einer Seite so laff hängt – zu viel Wasser vielleicht? Andererseits, grundsätzlich gefragt, inwieweit hat meine Primula acaulis überhaupt Anteil an der Natur? Sie wurde in irgendeinem mittelmärkischen Gärtnereibetrieb unter Einsatz von Chemikalien gezüchtet, per LKW über versiegelte Straßen zum versiegelten Parkplatz gekarrt, auf einem klapprigen Metallwagen in ihr neues Zuhause, eine Betonhalle, verbracht, und auf dem kleinen Plastiktopf, in dem sie über das Kassenband des Supermarkts lief (REWE, Karl Marx-Straße), steht „Sonderfarben”, was die Sache noch mal verdächtiger macht, so als hätte Hoechst seine Hände im Spiel.

Mit Lilian und Alexis hatte ich mal eine Diskussion über die richtige Schreibung von Straßennamen. Dass die Leerstelle zwischen Karl und Marx ein stärkerer Klebstoff ist als der Bindestrich es wäre, und es auch sein muss, denn beide Namen zusammen ergeben eine Person, wohingegen beispielsweise die Haltestelle der U3 Oskar-Helene-Heim richtig geschrieben ist, denn da sprechen wir von Oskar Pintsch und Helene Pintsch: zwei Personen.
Hat sie nicht überzeugt, pff.

Hier ist eine altertümlich programmierte Website des Vereins Oskar-Helene-Heim Berlin-Zehlendorf e.V., wer das genauer nachlesen will.
„Krüppelkinder” würde heute keiner mehr sagen. Mir scheint der Ausdruck gut, weil neben dem deskriptiven Gehalt ein anderes Begriffsfeld darin aufscheint: das der unschuldig leidenden, hilfebedürftigen, zu umsorgenden Kreatur.
Ich komme ab. Oder auch nicht, denn wo wollte ich hin? Das weiß ja keiner.

Die Woche wird kulturell gerahmt sein. Gestern Buchhandlung und Übersetzer-Stammtisch Französisch, Sonntag Matze backen in der Domäne Dahlem (11.00 Uhr bis 14.00 Uhr, offen für alle Interessenten, keine Anmeldung erforderlich), eine Freundin von mir organisiert das.

Als der bedeutende Verleger (79) in die Buchhandlung kam, schob ich das Papptablett mit dem Marmorkuchen zur Seite – das Café Magnifique bäckt gut! -, aber er winkte gleich ab: ich solle um Himmels willen weiter essen. Er stöberte in Ruhe, führte ein kurzes Handytelefonat, kam nach weiterem Stöbern an die Theke und kaufte ein philosophisches Buch. Während des Bezahlvorgangs sagte er: „Was für ein scheiß Cover!”

Unkategorisierbare Fehler

Die Praktikantin, die nach Feierabend die Bücher des Verlags vorbeibringt, für den wir ausliefern (wir liefern für zwei Verlage aus, von daher ist mein Satz ungenau, aber das ist er sowieso), ist Österreicherin. Sie nimmt die Bücherpacken aus ihrem roten Stoffbeutel und verabschiedet sich mit einer freundlichen Höflichkeit, die in Berlin Seltenheitswert hat.

Was die Leute kaufen: Sigmund Freud, Unglaube auf der Akropolis. Ein Urtext und seine Geschichte, Klaus Heinrich, wie eine religion der anderen die wahrheit wegnimmt, Elif Shafak, Hört einander zu!, Donatella Di Cesare, Souveränes Virus? Die Atemnot des Kapitalismus, Franziska Meier, Besuch in der Hölle. Dantes Göttliche Komödie, Andreas Reckwitz, Das Ende der Illusionen. Politik, Ökonomie und Kultur in der Spätmoderne, Slavoj Žižek, Ein Linker wagt sich aus der Deckung. Für einen neuen Kommunismus, Dirk von Gehlen, Meme.

Bildungsbürgertum, ich sag’s ja.

Kohlhaases Erfindung einer Sprache und andere Erzählungen hätte ich auch verkauft, ist aber gerade im Nachdruck und wird erst Ende April/Anfang Mai wieder lieferbar sein, wie ein Anruf bei Prolit ergab.

Kein Wunder, dass ich abends müde bin.

Nach ungefähr vier Stunden wurde ich von einem leisen Knall geweckt.
Zwanzig vor drei, verriet mir das Display. Die PK war noch brühwarm.
Smartie war natürlich zur Wandseite hin gefallen.
In den Nachrichten stach das Wort „Intensivbetten” heraus.
Auf den letzten Stufen zum Bad schon das Morselicht der elektrischen Zahnbürste auf der Ladestation.
Um halb fünf wieder hingelegt, nicht aus Müdigkeit, sondern aus Vernunft, um acht das Wecksignal, halb neun auf. Kaffee, Arbeit, noch mal Kaffee.
Ich habe ein kräftiges Über-Ich.
Irgendwann mittags fiel mir ein, dass ich am frühen Abend eine kleine Präsentation zum Thema „Uncategorizable Errors” für einige der US-Kolleg*innen machen sollte. Das hat mich ein bisschen gestresst, denn ich rede nicht gern, und Erklären ist auch nicht meine Sache, aber es lief dann ganz gut, unkategorisierbare Fehler hab ich ja öfter.

Ich werde meine Ostereinkäufe Montag, spätestens Dienstag erledigen.

„Diese Zahl von 100.000 Satelliten ist leider realistisch.”
(„Vor lauter Satelliten keine Sterne mehr. Megakonstellationen bedrohen Astronomie”).