Hier ein Auszug aus einer Kritik zum Band sTiL.e(vir) Lyrik, Glückswürdigkeit von Konstantin Ames, 2021 erschienen, Abschluss seiner sTiL.e-Tetralogie: Vorschlag einer Interpretation.
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Finales
schrieb wer über Punk
er sei zurück (Das Loch)
aber das wüsste ich doch
sagt mir der unverbitterliche Postpunk
TU DAS LIEBER NICHT
Klopstock geht ja praktisch immer
Töpfelchen fönden söch dönn schön
NEIN TU DAS NICHT
vor der Fi’ale der Postbank
Die Kleinschreibung von „schrieb“ erlaubt es, den Anfang so zu lesen, als habe jemand „Finales“ über Punk geschrieben – wobei offen bleibt, ob das Substantiv, im Sinne von „Abschließendes, Letztgültiges“ verstanden, auch eine Konnotation von „Punk ist tot“ haben könnte –, oder als habe er erklärt, Punk sei zurück (nachdem er zwischenzeitlich passé gewesen war). In Parenthese wird „(Das Loch)“ hinzugesetzt, wohl als Beleg für die Richtigkeit der These. Der großgeschriebene Artikel, wie auch die mindestens seit Zeiten der Beatles (The Beatles) zu beobachtende Gepflogenheit vor allem angelsächsischer Gruppen, ihrem Namen ein The voranzustellen, lässt auf eine Band schließen, möglicherweise Hole (ohne Artikel) – nur dass die Musiker um Courney Love keinen Punk, sondern Alternative Rock spielen. Ihre Platten sind bei einem Major-Label erschienen.
Vorstellbar, dass es nur einen Sprecher gibt, der die (vermeintliche) Neuigkeit über Punk mitteilt. „aber das wüsste ich doch“ könnte dann der – nur gedachte – Einwand des Angesprochenen sein. Vielleicht gehört der Satz aber auch zur Rede des „unverbitterliche[n] Postpunk[s]“, oder alles ist ein Bruchstück aus dem Bewusstseinsstrom einer einzigen Person, „ich“, wäre also eher zu lesen als: Aber das wüsste ich doch, sagte der unverbitterliche Postpunk in mir.
Das Adjektiv klingt freundlicher als „unverbesserlich“.
Die Mahnung „TU DAS LIEBER NICHT“ kommt unvermittelt und scheint zusammenhanglos, ist in jedem Fall überraschend, wie auch der nachfolgende Vers, der im Gedichtkontext nicht minder fremd klingt, mit der Namensnennung jedoch auf genuin poetisches Gebiet lenkt: „Klopstock geht ja praktisch immer“.
Selbstgespräch des nicht so sehr an Punk Interessierten? In welche Dichtungsdebatte mag der Einwurf wohl gehören? Das bleibt im Dunkeln, wenn auch das, geziertes Sprechen karikierende, „Töpfelchen fönden söch dönn schön“ ahnen lässt, dass der an Klopstock Denkende es für einen Holzweg hält. „NEIN TU DAS NICHT“, folgt eine weitere Warnung – Warnung, jetzt nicht in die Klassizismusfalle zu tappen (möge sie sich auch, wer weiß, finanziell auszahlen, denn: „Klopstock geht ja praktisch immer“)?
Der Schlussvers benennt den Ort, an dem dieser Austausch über Musik stattfindet: „vor der Fi’ale der Postbank“. Das synkopierte Wort („Fi’ale“) greift die Mündlichkeit der Situation auf und verweist auf die Überschrift: Finales.
Er resümiert, wohin es führt, wenn Kunst auf Geld schielt. Dann reimt sich ganz schnell „Postpunk“ auf „Postbank“. Drei Mal darf man raten, wer stärker ist.
So wird „Finales“ lesbar als Gedicht über künstlerischen Ausverkauf, und über die Weigerung, dabei mitzumachen.
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sTiL.e(vir) Lyrik, Glückswürdigkeit. Geeichte und Gedichte in Zeitlupe. Mit einem Nachwort von Michael Gratz. 116 Seiten, Klappbroschur. Edition Noack & Block, Berlin 2021. 14,80 Euro – Kann über den Buchhandel bestellt werden (ISBN: 978-3-86813-096-6), oder direkt beim Verlag