Regen war morgen

Nicht sorgen, wenn dies Logbuch für längere Zeit nicht mit neuem Stoff gefüttert werden sollte (sollte). Ich werde nicht gestorben sein. Ich verreise bloß, ich überschreite eine geographische (eine Staats- und Sprach-) Grenze, was für mich zwar außergewöhnlich, aber immerhin kein nur einmaliges/letztmaliges/letztes Ereignis wie Geburt oder zu den Meinigen versammelt werden a/k/a Tod ist. Also Ball flachhalten.
Über die Reiselektüre, ihr habt mich ja gefragt, ist bis jetzt folgendes klar: Gustave Flaubert, Madame Bovary (Französisch), Friedrich Hölderlin, Hyperion oder der Eremit in Griechenland (Ausgabe Stroemfeld/Roter Stern), Johann Wolfgang von Goethe, Die Wahlverwandtschaften. Sollte ich das alles schaffen – wenn es auch im Urlaub nicht um Schaffen gehen soll, sondern um Lassen, vielleicht sogar um Zulassen, Zulassen im öffnenden Sinn (hier ist eine Tür) -, hätte ich immer noch was zu lesen. Wobei, würde dann eher noch was Französisches koofen, will ja produktiv faulenzen!
[Nachtrag 7.7.2022: Den dicken Musil kann ich auch mitnehmen, in digitaler Form. Ich werde meinen Urlaub um ein Jahr verlängern müssen.]

Tagebuch schreibe ich nicht, aber ich werde kritzeln, so in der Art: das lesen, das hören.
Diese Kritzeleien dienen meiner Bildung.
Die Bildung ankert in der Zukunft oder geht dort baden.

Ich möchte etwas Verschwindendes schaffen, es geht (mir) um den Move, die Energie. Was (stehen)bleibt, ist (för möch) witzlos, außer es schafft es, die Bewegung in sich zu bannen.

Zeitung lesen über Smartie, und hin und wieder als klassisches Papier, auch wegen der sozialen Interaktion. Le Monde, s’il vous plaît.

À propos:
„Wir erforschen die Natur, um sie besser auszubeuten.” (Bernhard Pötter, zitiert in der taz am wochenende, 2/3. Juli 2022, S. 24, „briefe”)
„Für alle, die unseren Kindern die Welt erklären, damit sie die Welt erobern können.” (Werbekampagne der BILD-Zeitung, 2022)
Ausbeuten, erobern, das hat die Welt zerstört und zerstört sie weiterhin.
Verstehen, entdecken, okay, aber dann bitte lassen! Nicht anrühren!

Mein einer Bruder hat sich {vorvorgestern} gemeldet, er sei {am Wochenende} in Berlin, er würde sich freuen mich zu sehen. Ich dankte ihm postwendend, dass er sich gemeldet habe und schrieb ihm, ich sei {am Wochenende} in Bonn, käme aber {gestern} gegen Mitternacht wieder in Berlin an und sei dann aufgelegt, irgendwohin zu kommen, er solle sagen, wie es ihm passe. Diese E-Mail blieb unbeantwortet.
Der Wohnort meines einen Bruders liegt in einer anderen Zeitzone.
Wohingegen mein anderer Bruder, aus Oberbayern, neulich von der Autobahn aus anrief, ob es mir recht sei, wenn er kurz vorbeikomme. Es war an einem Arbeitstag zu den Bürostunden, ich gab meinen Teamkollegen Bescheid, und die Sache war geritzt. Hat mich sehr gefreut. Den sehe ich nicht oft, muss man die Gelegenheit gleich ergreifen. Die Leute sterben auch, die andern, oder man selbst.
Er ist 65 Jahre alt, pensioniert. Seine Frau und er besitzen eine Segelyacht, sind im übrigen genügsam. Er hat seinen Nachnamen geändert. Er macht sich Gedanken. Seine Kinder habe ich früher gesehen.
Auch mein Rad fahrender Berliner Bruder kommt gelegentlich auf ein Käffchen.
Ich habe mich für ein zurückgezogenes Leben entschieden, bin aber geselligkeitsbereit.

Wer sich nicht über WhatsApp verabreden kann, lässt es.
Ich lasse mich nicht von Anwendungen schurigeln.

Hendrik Jackson fragte sich einmal, ob es etwas zu bedeuten habe, dass er drei meiner Geschwister und mich selbst unabhängig voneinander zu verschiedenen Jahren an verschiedenen Orten kennengelernt habe. Ja, das konnte ich ihm auch nicht beantworten. (Vielleicht habe ich diese Anekdote schon mal erzählt.)

Ihr könnt auch Fragen stellen.

7 Kommentare zu „Regen war morgen“

  1. Warum hast Du Hendrik Jackson nicht gegengefragt, ob er es so halte, mit seinen Geschwistern immer nur im Verbund aufzutauchen?

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    1. Nee, meine WhatsApp-Bemerkung war bloß eine leise Kritik daran, dass wir unser Sozialverhalten manchmal von Apps abhängig machen. Wenn der andere nicht dieselbe App hat, wie man selbst, fällt einem schon nichts mehr ein, wie ein Treffen, ein Schwätzchen dennoch zu bewerkstelligen wären. Telefonieren ginge zum Beispiel. Aber beim Telefonieren von einem kaukasischen Netz in ein brandenburgisches Netz fallen Gebühren an – ist es das wert? Na ja, natürlich ist es das wert, wenn man sich drei Jahre (schätzungsweise) nicht gesehen hat. Außer man ist ein Sparfuchs. Ich mache meinem Bruder aber keinen Vorwurf. Ich hätte ihn gern getroffen, das ist alles. Es werden sich andere Gelegenheiten ergeben.

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