Das Rad der Dinge

Als ich den letzten Absatz von Mein Leben als Witz gelesen hatte, war ich drauf und dran, eine neue Packung Chips aufzureißen (bildlich gesprochen). Robert Mattheis hat es hinterhältigerweise bei dem Cliffhanger belassen. (Schlau! So hält man seine Fanbase zusammen!)

„[…] ein halbes Leben mit Leid und Haß und Traum und Arbeit und Stolz, was muß man alles durchmachen, um es zu einem schönen, plausiblen, durchgearbeiteten, gepflegten Schiffbruch zu bringen […]”

„Wirkliches Leben heißt: neue Stellen zu erfinden, wo man stranden kann …”

Das lese ich beides in Der Kapitän von Roberto (Bobi) Bazlen, übersetzt von Ilse Pollack [Edit 18.12.2021. Hier irre ich, denn: „Die hier vorliegende Fassung des Textes ‚Der Kapitän‘ folgt dem deutschsprachigen Originalmanuskript, wie es dem Wieser Verlag vom Adelphi Verlag, Mailand, zur Verfügung gestellt wurde. Eigenwillige Interpunktion, Orthographie, Grammatik, Satzstellung, Semantik wurden belassen und nur an einigen Stellen, wo es die Lesbarkeit erforderte, behutsam verändert. Einzelne, wenige italienische Wörter und Sätze wurden ins Deutsche übersetzt.”] – ein herrliches, Fragment gebliebenes Buch, 1993 im Wieser Verlag von Lojze Wieser erschienen und dort immer noch lieferbar. (Lojze Wieser hatte bei den Buchmessen immer einen Schinken dabei. Wer ihn in seiner Verlagskoje besuchte, bekam von ihm persönlich eine dünne Scheibe abgeschnitten.)

Das Nachwort der Übersetzerin – „Das Schweigen der Sirenen” – gibt Aufschluss über Bazlens literarische Vorlieben (Hauptkriterium: Originalität) und Wertmaßstäbe – „Erstmaligkeit” steht an vorderster Stelle.
Es ist sicher zehn Jahre her, dass ich das Buch gelesen habe, wahrscheinlich länger. Gestern kam es mir wieder zwischen die Finger. Vor einigen Monaten hatte ich meine italienischen Bücher ausgeräumt, um eine Treppe (trap) zu bauen, die an den Rand eines Eimers führte, in dem Futter ausgestreut war, so wollte ich eine Maus einfangen, die ich gesehen hatte oder meinte, gesehen zu haben. Vielleicht ein Phantom? – Irgendwann, eigentlich recht bald, baute ich die Treppe wieder ab und warf das Futter weg. Die Bücher räumte ich aber nicht zurück, sondern ließ sie gestapelt auf dem Boden, bis gestern.
Das Rad der Dinge – Bobi Bazlen.
Es gibt zwei Tagebücher, beide unveröffentlicht.

3 Kommentare zu „Das Rad der Dinge“

  1. Freitag war ich in der Torstraße, bei A Livraria, einer Fachbuchhandlung für spanische, portugiesische und italienische Literatur. Eine Kundin von uns interessierte sich für die italienische Ausgabe von Juli Zehs Unter Leuten, und ich hatte die Kollegin gebeten, es für uns zu bestellen. Bei der Gelegenheit suchte ich auch nach einem Buch für mich und wurde beim ersten flüchtigen Blick auf den Neuheitentisch fündig: ein hochkant, mit dem Buchrücken nach oben, stehendes Büchlein von Roberto Calasso mit dem Titel Bobi. „Das hat auf mich gewartet” (dachte ich bei mir).
    Torstraße, hat früher ein Bruder von mir mit seiner Familie gewohnt. Wir haben uns aus den Augen verloren.
    Großfamilie, denken die Leute, als hätte das etwas zu besagen. Man hat elf ältere Geschwister, der älteste Bruder vor ein paar Jahren, mit Anfang sechzig, tot umgekippt, von den anderen weiß man, dass sie irgendwo sind. Sehen tut man zwei oder drei, wechselt ein paar Worte, meidet tiefer forschende Unterhaltungen.

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