(Die Überschrift bezieht sich auf das Effektgerät, das Kimbra im unten verlinkten Song – Miracle – bedient.)
Jemand sagte neulich, als Bundesumweltministerin habe Angela Merkel gemahnt, wir bräuchten das Drei-Liter-Auto, und als Bundeskanzlerin habe sie dann den SUVs den Weg gebahnt, von denen von Jahr zu Jahr mehr zugelassen werden.
Andreas Malm beginnt sein Buch Wie man eine Pipeline in die Luft jagt mit einem Zitat des englischen Schriftstellers John Lanchester, der sich in einer Sammelrezension für die London Review of Books bereits 2007 darüber verwundert zeigte, dass sich die Klimaaktivisten bislang so brav verhalten haben anstatt zu militanten Strategien überzugehen wie z.B. das Zerkratzen von SUV-Fahrertüren mit einem Schlüssel:
„[…] in a city the size of London, a few dozen people could in a short space of time make the ownership of these cars effectively impossible, just by running keys down the side of them, at a cost to the owner of several thousand pounds a time. Say fifty people vandalising four cars each every night for a month: six thousand trashed SUVs in a month and the Chelsea tractors would soon be disappearing from our streets. So why don’t these things happen?”
Gut, für mich wäre das nichts, aber ich würde mich öffentlich darüber freuen, falls es jemals geschehen sollte. Einstweilen tun’s auch Aufkleber, die das Bild eines Erdballs in Flammen mit dem Satz „Ich bin ein Verbrenner” kombinieren (gestern auf der Demo gesehen). Oder die – immerhin – Versechsfachung der Parkgebühr für Automobile, die schwerer als ich weiß nicht wie viel Tonnen sind, wie sie der Tübinger Oberbürgermeister kürzlich durchgesetzt hat. Auf ein Fahrverbot von SUVs in Innenstädten können wir aber vermutlich lange warten, das wäre auch eine effiziente Maßnahme, um der Plage Herr zu werden.
Die Rede von Greta Thunberg habe ich seltsamerweise verpasst, obwohl ich pünktlich am Bundestag war. Wann hat sie sie gehalten? Zu Beginn oder am Ende der Demonstration? Auch Luisa Neubauer: nicht mitgekriegt. Das Grußwort von Maja Göpel aber wenigstens doch, auch eine prägnante Rede von Emilia Roig.
20000 Protestierende waren in Berlin angemeldet gewesen, die tatsächliche Teilnehmerzahl lag deutlich höher, je nach Schätzung bei rund 50000 bis 100000 Leuten, wobei die kleinere Zahl natürlich von der Polizei stammt.
Ich kann nur hoffen, dass auch weitere Streiks und Aktionen von Fridays for Future und anderen Gruppen der Klimabewegung viel Zulauf, viel Unterstützung haben werden. – Ich dachte an eine Formulierung, die vor ein paar Tagen Robert Mattheis hingeworfen hat, lässig: in den Abgrund gähnen. Das fand ich eine hervorragende Zustandsbeschreibung. Wir blicken in einen (gähnenden) Abgrund, und was wir tun ist: gähnen. (Wir – damit meine ich diejenigen, die dringend ihren (selbst-)zerstörerischen way of life ändern müssen.)
„Und immer gibt es Leute, die bringen den Ernst, der angebracht ist, nicht an”, möchte ich den großen Uwe Johnson (aus dem Gedächtnis) zitieren.
„HUCH! Alles kaputt” (Plakat beim Klimastreik gestern)
Nach dieser langen Vorrede: Morgen ist Bundestagswahl.
Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, gab es bei vergangenen Bundestagswahlen schon zwei Mal eine rechnerische Mehrheit für Rot-Rot-Grün. Die Aussichten, dass morgen aller guten Dinge drei werden, stehen nicht schlecht – „Linksrutsch jetzt!” (Plakat) -, aber da die Linken von allen anderen Parteien als Schmuddelkinder angesehen werden, müssen sie wohl wieder an den Katzentisch. Sehr bedauerlich, und sehr dumm. Bleibt zu hoffen, dass Armin Laschet abblitzen wird. Wer noch im Jahr 2020 ein Steinkohlekraftwerk eröffnet, darf keine Verantwortung übertragen bekommen, so einfach ist das.
Was immer die Verhandlungen nach der Wahl ergeben werden, einige der Lobby-Minister werden nicht mehr weitermachen: Peter Altmaier, Andreas Scheuer, Julia Klöckner, das ist schon mal beruhigend. Auch das Milchbrötchen aus dem Außenministerium dürfte seinen Posten verlassen. Jetzt schnell noch ein paar Leute befördern!
In Fortsetzung einer Tradition hier eine kleine Musikzusammenstellung, wird möglicherweise noch erweitert. Die Belgierin (Belgien, yeah!) Charlotte Adigéry tauchte in der Playlist der NY Times auf, ihr Compagnon, Bolis Pupul, trägt ein T-Shirt mit ihrem Bild, ihrerseits ein T-Shirt mit seinem Konterfei tragend, am Schluss schütteln sie sich die Hand.
Kimbra mit einem poppigeren ihrer Songs, recht zurückhaltend gesungen, aber die Spitzen exakt getroffen, was bei der anderen Studioaufnahme – von Yelle – leider nicht der Fall ist, aber eigentlich macht es auch nichts, wir wollen ja keine Maschinen. Mir gefällt der fröhliche Blödsinn, den sie und ihre Schlagzeug-Elektro-Partner veranstalten. (Der modische Auftritt von Charlotte Adigéry, Kimbra und Yelle ist hervorzuheben – prima!)
Claire Laffut, Tip von Deutschlandfunk Kultur, genau dies Lied. Heisere Stimmen hab ich immer gern.
Wiki und Navy Blue, wieder aus der erwähnten Playlist geklaut. (Wiki ist der mit den eingeschlagenen oder weggerauchten Zähnen.)
Nach dem Tod des Gang of Four-Gitarristen Andy Gill gab es ein Tribute-Album, daraus das Stück Forever Starts Now, gefolgt von einem Original von anno 1979. Es klingt kein bisschen angestaubt.
Metronomy mit einem Lied zum Sonntag, das die Sonntagsstimmung ganz gut wiedergibt, finde ich.
Charlotte Adigéry & Bolis Pupul High Lights *** Kimbra (Live at Radio New Zealand) Miracle *** Metronomy Month of Sundays *** Yelle Complètement fou (Live on KEXP) *** Claire Laffut Vérité *** Wiki feat. Navy Blue Can’t Do This Alone *** Gang of Four (Killing Joke Dub) Forever Starts Now *** Gang of Four Natural’s Not in it *** Kelly Lee Owens Arpeggi *** Charlotte Adigéry & Bolis Pupul The Best Thing
Flegelhaftes Verhalten von Armin Laschet und seiner Frau, mutwillig die Wahlzettel falsch zu falten. (Er findet es wahrscheinlich witzig.) – Ich bin neugierig, wie die Wahlen in Berlin ausgehen werden. Hoffentlich nimmt man beim nächsten Mal von der Idee Abstand, die Bundestagswahl und den Berlin Marathon am selben Tag zu veranstalten.
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Danke für den Partymix! — Seltsam, wie man am Wahltag nach dem Kreuzchen-Spaziergang plötzlich so dasitzt und so ein Wahlkampf, mit seiner lang angebahnten und dann über Monate aus allen Rohren trompetenden Präsenz, auf einmal vollendet ist, nicht? Diese Ruhe nach dem Kreuz ist ein bisschen wie der Tinnitus nach der Disco.
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Schöner Vergleich. Die Disco läuft insofern weiter, als noch nicht alle Wahlplakate wieder abgenommen wurden, aber das wird sich bald erledigt haben. Die Ruhe ist ganz angenehm.
Die CDU-Kandidatin für unseren Wahlkreis 61 hat Botschaften plakatieren lassen wie: „Eine von hier”, oder: „Wer Scholz wählt, kriegt Kühnert und Esken!”, das war schon ein beklagenswert niedriges Niveau. (Scholz hat den Wahlkreis gewonnen.)
Die Phase der Vorgespräche und Sondierungen finde ich auch interessant. Als Verhandlungspartner für die Grünen und die FDP wäre Herr Laschet sicher ein einfacherer Kandidat als Herr Scholz, doch kann ich mir nicht vorstellen, dass unter dreister Missachtung des Wählervotums eine Koalition aus CDU/CSU, Grünen und FDP mit Armin Laschet als Bundeskanzler geschmiedet wird. Die ‚Union‘ ist ja gerade auch unpässlich.
War Dir irgendwas aus dem Partymix bekannt (außer Gang of Four)?
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