Bis Montag in der Werkstatt. Na dann

Wenn mein Kalender stimmt, liegt das letzte Kaffeetrinken bald schon wieder ein halbes Jahr zurück. Höchste Zeit also für ein Folgekränzchen. – Ich werde meinen Gästen (+ Schrippen mit Käse und Marmelade) Buchteln mit Vanillesauce anbieten. Nichts geht über frisches Hefegebäck! Davon werden sie nicht satt, kommt aber auch eh noch was bei, von Bäcker Fahland.
Ich kann dann bis halb vier lesen; oder ich sammele experience points bei Duolingo; oder ich höre Musik: Simple Songs von Jim O’Rourke zum Beispiel, das ich neulich meiner kleinen Bandcamp-Sammlung hinzugefügt habe. Und die neuen Sachen, die mir die New York Times vorschlägt: Lady Gaga’s Disco Inferno, and 9 More New Songs.

In der S-Bahn zwei junge Kerls, miteinander bekumpelt, vom gleichen Leid geschlagen. Der eine, ein Längsel, eine eingehüllte Gitarre auf dem Buckel, der andere, klein, Käppi und Brille, angelegentlich in einer Broschüre der Berliner Verkehrsbetriebe lesend; kämpft gleichzeitig mit einer 1-Liter-Flasche Coca Cola, die er schon zu zwei Dritteln aufgetrunken hat. (Vor dem Aussteigen wird er sie mit den Worten: „Kannst du die halten?” einer soignierten Dame hinstrecken – die natürlich nicht im Traum daran denkt – und dann mir, und ich nehme sie an und stelle sie hinter mich in die Ecke auf den Boden.) Während sich der Zug dem Bahnhof nähert, an dem der Große aussteigt, verabschieden sich die beiden, sorgfältig, in einem beruhigenden Singsang. „Bis Montag in der Werkstatt”, sagt der Kleine, die Nase in die Luft gereckt, der andere gibt es ihm mit genau den gleichen Worten zurück, er wirkt ganz schläfrig, worauf wieder der Kleine: „Bis Montag in der Werkstatt. Na dann”. Und die Colaflasche ist er ja jetzt los, er hält das BVG-Heft mit beiden Händen vor sich aufgeschlagen wie eine Zeitung. Er schnauft. Wir fahren wieder, halten wieder, fahren, halten, wir sind da. Er drängt sich an die Tür, eifrig in allem, und ist als erster draußen und steigt kregel die Treppe hinab.

Das Virus hat sich mittlerweile auf fast sechzig Länder ausgebreitet. Das teilweise unerklärliche Auftreten von Krankheitsfällen ist verwirrend und auf unbestimmte Weise betrüblich; es setzt alles hinter eine fremdartige Folie. In Japan bleiben bis Ende März die Schulen geschlossen. In Berlin-Zehlendorf sind Desinfektionsmittel ausverkauft (ich habe nicht danach gesucht).
Eine Arbeitskollegin ist übers Wochenende nach Sizilien gereist, das bislang nicht als Risikogebiet bekannt geworden ist.
Der Mensch ist ein verwundbares Tier.

4 Kommentare zu „Bis Montag in der Werkstatt. Na dann“

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