Kompositionen* von Yu Kubawara, Christian Wolff, Johannes Schöllhorn und Georges Aperghis standen auf dem Programm des Trio Accanto, das in der Besetzung Saxophon, Klavier und Schlagzeug spielt und seit seiner Gründung vor fünfundzwanzig Jahren zahlreiche einschlägige Werke angeregt und aus der Taufe gehoben hat – auch beim Ultraschall-Auftritt war eine Uraufführung dabei: die Exercises 37 und 38 von Christian Wolff (neben seinem Renommée als Komponist bei Literaturfreunden auch als Sohn des Verlegerpaars Kurt und Helen Wolff bekannt: fünfundachtzig Jahre alt inzwischen).
Die beiden Exercises (2018) sind nicht nur hinsichtlich der Besetzung („Zwei oder mehr Spieler, alle denkbaren Instrumente”) frei: Christian Wolff geht es in seiner 1973 begonnenen Werkreihe (laut Auskunft des Programmtexts) um die Fragen von Autorschaft und Freiheit der Interpreten. – Sein Kollege Frederic Rzewski resümierte: „These scores do not de/prescribe the final resulting sound picture, but provide a map along which the players may travel.” – Zitiert nach AllMusic.
Der Komponist (ich paraphrasiere wieder Eckhard Webers Programmtext) stattet die Interpreten mit dem gleichen Notenmaterial aus, Taktstriche und Notenschlüssel fehlen darin, es gibt keine Hierarchisierung von Solo- und Begleitstimmen – was sie aus dem Notentext zu Gehör bringen und wer was spielt, steht ihnen frei.
Vermutlich haben die Musiker den Kuchen schon bei der Einstudierung des Werks unter sich aufgeteilt, jedenfalls brachten sie es in einer tadellos geschlossenen Form zu Gehör – oder wäre gerade das dann zu ‘tadeln’? -, die nichts von diesen abenteuerlichen Freiheiten ahnen ließ. Für mich aber kein Problem, mir hat’s gefallen, wozu – wie immer bei neuer Musik – auch der Schauwert z.B. eines großen Schlagzeugs beigetragen haben mag. (Dies gilt mehr noch für das spektakulär virtuose Trio Funambule [Seiltänzer-Trio] von Georges Aperghis, mit dem das Konzert seinen furiosen Abschluss fand.)
Das Konzert des Trio Accanto liegt jetzt länger als eine Woche zurück, den Mitschnitt habe ich mir noch nicht angehört. Bilde ich mir es nur ein, dass die Darbietung der Exercises eine jazzige Lässigkeit ausstrahlte (darin wäre ja dann doch etwas von der vermissten Freiheit bewahrt)?
In Between von Yu Kuwabara (geb. 1984): befremdlich, sonderbar. Ein Stück, bei dem ich ‘draußen’ blieb; ich hätte es gern ein zweites Mal gehört. – Fremdheit und Härte sind Programm:
„In meinen Kompositionen untersuche ich meine eigene musikalische Sprache zwischen Vergangenheit und Gegenwart, ebenso wie zwischen Japan und der Welt. Ich versuche dabei immer zu reflektieren, was die Essenz und die Natur japanischer Musik ist”, zitiert das Programmheft die Komponistin.
Die produktive Enttäuschung, dass Musik in Japan nicht gleich (=) altmodischer Jazz und Wiener Klassik ist (wie bei Haruki Murakami), sondern z.B. das Spiel auf der Bambusflöte Shakuhachi (hier von Marcus Weiss am Saxophon zitiert), buddhistische Gesänge, hohltönende Trommeln (vom teilweise präparierten Klavier nachgeahmt) und Glocken, war nur um den Preis des Nicht-Gefälligen, des Nicht-Gefallenmüssens zu haben. Respekt! Wie mutig, und wie selbstbewusst!
Die im Begleittext erwähnte Überlagerung zweier ‘sich beißender’ Musiken habe ich nicht wahrgenommen. Ich werde mir In Between noch einmal anhören.
Zu faul, etwas zu Sinaïa 1916 von Johannes Schöllhorn zu schreiben, verweise ich wieder auf das Programmheft. Außerdem bin ich kein Komplettist, und Geld kriege ich ja auch keins.
* Erläuterungen zu den aufgeführten Werken können hier nachgelesen werden.