Mit Begeisterung höre ich das Album New York Trio von Angelika Niescier (as), Christopher Tordini (b) und Gerald Cleaver (dr), mit dem Gast Jonathan Finlayson (tp), das in diesem Sommer bei Intakt Records, Zürich, erschienen ist. In seiner knappen Rezension für die Zeitschrift Jazzthing resümierte Hans-Jürgen Schaal: „eigenwillige Abläufe und Stimmungen, die man nur noch schwer schubladisieren kann. Ein (wahrscheinlich) ganz großes Album. Aber es verlangt Hingabe, auch vom Hörer.”
Ja, klar, zum Nebenbeihören nicht geeignet. Und ein großes Album, gewiss! – abwechslungsreich. – Den Mörderbeat von Push/Pull kann ich mir auch von bratzenden Heavy Metal-Gitarren gespielt vorstellen, diese Energie hat das Stück. Daneben gibt’s aber auch feine, leicht umzuwehende Klangbauten wie Chancery Touting oder das abschließende A Truck Passing a Clock Tower.
Im Beiheft ist über dieses zu lesen (es spricht die Saxophonistin): „I developed a system using chance to establish the length of rest and impulse for every player. We strictly played by the clock. The sheet was a chart, for example: 00:00 – 00.15 play! 00:16 – 01:23 pause!”
Systematisch auch das Vorgehen bei Chancery Touting, dessen klangliche Gestaltung per Würfelwurf festgelegt wurde, während Cold Epiphany auf der Fibonacci-Zahlenfolge fußt.
Diese strukturierten freien Stücke sind eine – wichtige – Facette des Albums. Eine andere blitzt in …ish auf (devilish?), einem in Trioformation dargebotenen Expressstück von vier Minuten Dauer, eng geschnürt, zackig hingeschmissen, und wieder eine andere, bodenlos traurig, in der Klage Ekim, in der Angelika Niescier die Komponistin Nazife Güran zitiert.
Schwierig, ein Lieblingsstück zu benennen – vielleicht das großräumig angelegte, spannungsreiche 5.8, Push/Pull, oder das in einem früheren Beitrag gepostete The Surge, furioser Beginn von New York Trio.
Was sonst geschah. Nach einundzwanzig Monaten war ich mal wieder im Kino, erst, allein, in Where’d You Go, Bernadette von Richard Linklater, dann, selbdritt, in Marriage Story von Noah Baumbach – der erste schöner anzugucken, der zweite künstlerisch bedeutender: beide gut. (Beides Familienfilme, selbstverständlich.) Heute hätte ich auch wieder ins Kino gehen können, aber ich bin ein bisschen verschnupft und brauche ginger, in Griffweite.
Aus niederrheinischer Richtung traf per Post am letzten Novembertag ein Tee-Adventskalender ein, an dem ich mich täglich erfreue und der eine gute Medizin ist. Herzlichen Dank! – Ebenfalls in der Post das neue Heft des Jazzpodium – ganz dem Label ECM gewidmet, das sein fünfzigjähriges Bestehen feiert. (ECM steht für ete|pe|te|te.)
Es ist auch die Zeit der Adventsfeiern. Mit dem Garments Database Team waren wir im DaBangg und (vorher) im Schokoladenpalast Rausch am Gendarmenmarkt. – Gestern Nikolausabend in Schöneberg, von meiner Nichte organisiert und liebevoll durchgeführt, nächste Woche dann das jährliche Winter Team Event. Vielleicht lädt auch mein Chef in der Buchhandlung ein, er war sich noch nicht sicher.
Weihnachten selbst habe ich nichts Konkretes geplant, vom schrecklichen Silvester ganz zu schweigen. Eine jahrelang nicht gesehene Freundin aus Aachen kommt nach Berlin, und wir werden uns natürlich treffen. Auch die römische dottoressa wird in Tegel landen. Ich freue mich schon, mit ihr – kältegeschützt – am See zu sitzen, Kaffee zu trinken und die reglosen Kormorane zu beobachten.
Am 24.12., 27.12. und 31.12. muss ich arbeiten, zwei halbe Tage und einen ganzen, weiter am 2.1. Dafür nehme ich mir vielleicht Mitte Januar frei, um zum Ultraschall Berlin Festival zu gehen, was ich immer schon mal vorhatte.
[Überschrift aus dem Gedicht „zweiter Wirbel/Anblick der Atlanten” von Georg Leß, in: Die Hohlhandmusikalität. Gedichte. kookbooks, Berlin 2019, S. 22]
…ish könnte vielleicht eher für short-ish oder monkish stehen. Für nächstes Jahr nehme ich mir vor, die Auslassungspunkte einfach als nicht eindeutig auflösbare Variable zu lesen (was mir schwerfällt).
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