Jahrestage Nachbetrachtung (2)

Ich weiß nicht, ob es sich heute immer noch so verhält, aber als die ersten Lieferungen der Jahrestage Anfang der 70er Jahre erschienen, urteilten einige Kritiker (Helmut Heißenbüttel zum Beispiel), der neue Roman bedeute gegenüber Mutmassungen über Jakob (1959) und Das dritte Buch über Achim (1961) einen künstlerischen Rückschritt (dazwischen gab es aber noch Zwei Ansichten, nicht zu vergessen, 1965). Das ist verständlich, denn mutwillige Modernismen – die ich in den Mutmassungen und im Achim-Buch mochte – fallen zunächst einmal nicht auf. Das macht die Jahrestage aber darum nicht zu einem konventionellen Roman, den man so schmökermäßig runterlesen kann, wie Johnsons jovialer Lektor Raimund Fellinger im Gespräch mit dem soignierten Johnson-Forscher Holger Helbig zu verstehen gab.
Die Jahrestage sind mit Verfremdungen und Irritationen gespickt, das beginnt schon mit ihrer äußerst artifiziellen, schematischen, geradezu zwanghaften Anlage. Ein Jahr aufzuschreiben, das war der Plan. Auf das undatierte Anfangskapitel, das vielleicht die Tage des 19. und 20.8.1967 festhält, beginnen die Jahrestage regulär mit „21. August, 1967 Montag”. Dies Prinzip hält Johnson konsequent für den ganzen Roman bei: ein Kapitel, ein Tag.
Der erste Teil endet mit dem Tageskapitel für den „19. Dezember, 1967 Dienstag”, worauf mit unschlagbarer Trockenheit die Ankündigung folgt: „Der nächste Teil dieses Buches beginnt mit dem Kapitel für den 20. Dezember 1967.” Da haben wir aber schon knapp 480 Seiten gelesen. Man erahnt, welch brutales Schreibprogramm sich Johnson aufgebürdet hat.
Es gibt zwei große Erzählstränge: zum einen das Leben der aus Mecklenburg stammenden 35-jährigen Bankangestellten (Fremdsprachensekretärin) Gesine Cresspahl und ihrer ungefähr 10-jährigen Tochter Marie in New York 1967/68 („Aus dem Leben von Gesine Cresspahl” ist der Untertitel des Romans); zum anderen das Leben in Mecklenburg von den 20er Jahren an. Das erzählt Gesine ihrer Tochter, die will es wissen.
Beides wechselt einander ab, auf ein New York-Kapitel folgt ein Mecklenburg-Kapitel (da gibt es auch eine – fiktive – Stadt, Jerichow). Dies aber ist nur das grundsätzliche Bauprinzip; bereits auf den allerersten Seiten wird es gebrochen, indem die Beschreibung eines idyllischen Ferientages am (amerikanischen) Strand mit Erinnerungen an die Vorkriegszeit und blitzartigen Bildschnipseln aus dem Krieg überblendet wird (wie im Film). Manche Kapitel schneiden beide Welten hart gegeneinander, zum Beispiel das für den 3. September 1967, das von der Brautwerbung Heinrich Cresspahls erzählt, und gleichzeitig von Ilse Koch, der „Bestie von Buchenwald”. Andere Kapitel fangen mit 1968 an und gehen mit 1951 weiter und umgekehrt.

Foto: Bernward Reul

Heute nachmittag gibt es hier wieder ein Kaffeetrinken, das erste seit Anfang Juni. Schon zu Kölner Studienzeiten habe ich regelmäßig zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Für dieses Mal haben sechs Gäste abgesagt, weil sie nicht da sind oder schon anderes vorhaben, drei haben sich nicht gemeldet, fünf wissen noch nicht, ob sie kommen können, drei haben verbindlich zugesagt und freuen sich, darunter eine Arbeitskollegin, die zum ersten Mal in ein deutsches Haus eingeladen wurde (klingt komisch). Jetzt kann ich mir überlegen, ob ich für vier oder für vierzehn Leute Schrippen kaufe. Hm.

2 Kommentare zu „Jahrestage Nachbetrachtung (2)“

  1. Falsch geraten! Grapefruitsaft! Daneben eine Flasche naturtrüber Apfelsaft (aus der Region). Die Kuchen: Ostertorte aus Kampanien Apfelgitterkuchen (rechts) und Arabischer Honigkuchen. – Grapefruitsaft habe ich vor kurzem nach längerem wieder gekauft, dies Mal, um ihn mit eisgekühltem Campari zu mischen. – Heute gibt es vier Stücke gekauften Kuchen (Pflaumenstreusel, Rhabarberstreusel, Mohnkuchen und Gedeckter Apfelkuchen) und selbstgebackenen Käsekuchen (noch nicht gebacken), dazu hinreichend Brötchen – was übrigbleibt, wird den Gästen mitgegeben.

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