Erst mal Spinne retten

Gestern begann mit einer Rettung. In der Badewanne saß eine Spinne gefangen, die ich mit Hilfe eines Wasserglases und einer CD, die ich abends zuvor geschenkt bekommen hatte, befreite. (Ich bezweifle, dass sie es als Befreiung wahrgenommen hat, vermutlich sah sie es als Ankündigung eines grausamen Schicksals – wenn Wahrnehmen, Befreiung, Vorahnung und Tod im Spinnesein eine Entsprechung finden, was ich nicht weiß.) Dann öffnete ich ein fünfundachtzig Jahre altes Fenster und warf sie nach draußen, beobachtete noch, wie sie mit allen Beinen sicher auf einem großen Blatt landete. Bereits in der Luft, haltlos, schien sie wieder in ihrem Element. Vielleicht ist für eine Spinne die Luft ein Kugelbad von Atomen.
Ich bin kein großer Freund von Spinnen, sehe aber ein, dass es sie geben muss und man ihnen helfen sollte, wenn sie der Tücke eines Objekts ausgeliefert sind, für das sie nicht gemacht sind.

Neulich habe ich mir nach längerer Zeit mal wieder einen Film angeguckt. Leider taugte er nicht viel, aber ich habe ihn dennoch fertig geguckt – ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass ich ihn aus Gewissenhaftigkeit bis zum (zuckrigen) Ende gesehen habe. In seiner Mittelmäßigkeit hatte [shame face] The English Teacher es irgendwie geschafft, mich zu ködern [shrug emoji]. Um so froher bin ich, dass ich auch dazu fähig bin [like], einen Film nach wenigen Minuten abzuschalten oder, besser noch, gar nicht erst einzuschalten [tada].
Für mich ist Fernsehen ein geselliges Phänomen. Das ideale Fernsehgucken ist mit Leuten, die zum sprechenden Bild zurücksprechen, es kommentieren oder, wenn das Gezeigte schon bekannt ist, auf kommende Szenen vorgreifen. Zum idealen Fernsehen gehört auch das Sichabwenden vom Bildschirm. Wer am Bild klebt, guckt falsch, würde ich behaupten. Es sollte immer ein Stapel Papier dazwischen passen, oder eine Hand.
Empfehlenswert auch das Betrachten hochklassiger Fussballspiele – zum Beispiel der WM-Halbfinale – bei abgedrehtem Bildton. Aufgedreht wird stattdessen die, bei Torraumszenen lauthals sich überschlagende, Radioreportage, die aber eine halbe bis eine ganze Minute schneller kommt als das Geschehen im TV. Dazu ist nicht jeder bereit.

5 Kommentare zu „Erst mal Spinne retten“

  1. das mit dem stapel papier dazwischen finde ich gut. 🙂 es ist schön für mich zu hören, dass ein anderer sich nicht belästigt fühlt, wenn jemand anders etwas zum gesehenen sagt. 🙂 english teacher sagt mir allerdings leider gar nichts. danke fürs spinnenretten. 🙂 und ein schönes wochenende dir.

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  2. ich hätte sie auch gerettet. unbedingt. bedingungslos.
    fliegen fang ich unter einem ikeaplastikbecher, am liebsten nehm ich den blauen, weil blau beruhigt … und dann den flyer vom orstansässigen fitnesstrainingsdings drunter und raus tragen das tierchen und aufpassen, dass es nicht schon gleich im zimmer wieder unterm becher hervor surrt … ach.
    lieben gruß, meinolf!

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  3. Fliegen begegne ich sachlich bis unleidlich. Wenn sich eine ins Zimmer verirrt, sage ich: „Nee, ne?” und öffne Terrassentür oder Fenster, je nachdem (wenn sie nicht sowieso schon auf sind), und sage aufmunternd genervt geduldig: „Komm!” oder „Mach hinne!” – und dann fliegt sie vielleicht noch ein paar Schnörkel, und findet schließlich den Weg hinaus.
    Spinnen dürfen mitwohnen, sofern sie sich zu Hause fühlen. Beim Staubsaugen mache ich einen kleinen Bogen um sie herum und sage von oben zu ihnen herab: „Du geh mal eben zur Seite …”
    Lieben Gruß!

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  4. Ein aufmerksamer Mensch von wohl zweifelhafter Reputation – aber doch ein guter Kerl! -, stieß (zur Vorsicht über einen Mittelsmann) meine Nase auf dies Gedicht meines Herrn Vaters:

    Der Tierfreund

    Herr Huldreich schritt einst wohlgemut,
    wie er’s zu tuen pflegte,
    Müsligestärkt und ausgeruht,
    war Gott er und der Schöpfung gut,
    durch die er sich bewegte.

    Da sieh! Zu Füßen krabbelte
    ein Käferlein geschwinde..
    Herr Huldreich huldreich brabbelte,
    wobei er etwas sabbelte:
    „Entferne dich geschwinde!“

    „Hätt bald dich übersehen schier,
    mit Flügelglanz wie Kupfer!“
    Der Tierfreund überwandt das Tier
    als er gezählt: Eins, zwei, drei, vier –
    mit einem kühnen Hupfer.

    Ein Schneck – ihm war sehr mulmig –
    der hemmt nachhaltig Huldreichs Gang.
    Der nahm’s hin sehr geduldig,
    das schien dem Schneck er schuldig,
    fand er die Wartezeit auch lang.

    Ameisen – barfuß allzumal,
    die kamen hergezogen.
    Huldreich von früher kannt‘ die Qual.
    Er hatte einfach keine Wahl,
    umging sie in großem Bogen.

    Er trat auf’s Feld – mußte es sein,
    daß er die Saat nicht schonte?!
    Zur Strafe mit dem Hinterbein
    brach tief er in ein Erdloch ein,
    d’rin ein Karnikel wohnte.

    Das jammerte und war ganz tot
    – nicht mause, doch karnikel.
    Huldreich sich eine Chance bot:
    Zwei Tage hätt‘ er was zum Brot..
    Nahm’s Tier also beim Wickel.

    Nahm’s mit nach Haus und briet es an,
    ihr dürft es ruhig wissen!
    Tat Knoblauch und so weiter dran,
    aß es mit Appetit sodann
    und viel Gewissensbissen..

    aus: Heribert Reul, „Verstreute Verse“, Kevelaer/Berlin 2003.

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  5. oh fatum, schicksalstücke, weh huldreich, weh, welch böses loch!
    und doch, und doch! hat mit gewissensbiss zwar, aber nahrhaft,
    auch dies fatale unglück etwas gutes noch …

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