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Cambridge, Cambridgeshire, England
Cambridge, Middlesex County, Massachusetts, Vereinigte Staaten
Es könnte jetzt mit einer Beschreibung weitergehen, er war soundo groß, Haarfarbe soundso, Stimme soundso usw., aber ich bin ja nicht das Fernsehen und möchte auch keine Fleißkärtchen erringen, abgesehen davon, dass es mich tödlich langweilen würde, Lloyd James Austin zu beschreiben, der ja nicht mal der Lloyd James Austin ist, sondern einfach ein Satzsubjekt, das ich brauche, um hier was vom Pferd zu erzählen. (Und, logischerweise, „ich” ist auch nicht gleich ich, wie in einer sauberen mathematischen Gleichung, sondern ein lieblos mit Sägespänen oder alten Marshmallows ausgestopftes erzähltes Ich, dem ich alles in die Schuhe schieben kann, was ich will, aber ich lass es, ich lass es.)
Also bitte, wer meint, er muss jetzt aber wissen, wie der Gelehrte aussah, soll sich selber eine Figur basteln, den Kopf habe ich = hat das Internet ja schon geliefert, einfach copypasten, auf ein leeres Blatt setzen, ausdrucken, wenn Drucker vorhanden, sonst auf einen Stick ziehen, wenn Stick vorhanden, kostet aber auch nicht so doll viel, und dann ab dafür zu Copy Day. Man kann auch ein Gesellschaftsspiel daraus machen, wie die Surrealisten, eine-einer fängt mit dem Hals an, dann das Papier knicken, die-der andere macht mit der Schulterpartie weiter, Papier knicken, und dann so weiter bis zu den (beispielsweise) schwarzlackledernen, etwas spitz zulaufenden Schuhen, fertig ist der Cadavre Exquis, Dieu merci, weiter im Text. (Ich hab hier ein bisschen gegendert, aus Freundschaft zu Agnes, kann man doch mal machen, man, frau, mensch, stört nicht den Lesefluss.)
Meine Mallarmé-Ausgabe (haben wir mal ein Bild? Dankeschön)
ist infolge häufiger Benutzung am Buchrücken zweimal geknickt, auf jeder ihrer 350 Seiten vollgeschrieben mit Worterklärungen, Zitaten von Mallarmé-Exegeten (Paul Valéry, Paul de Man), Einzeichnungen von Zeilensprüngen, Liaisonen, Bezeichnungen der Reimschemata – Großbuchstaben: weibliche Reime, Kleinbuchstaben: männliche Reime -, Jahreszahlen der jeweiligen Entstehung oder Erstveröffentlichung, Hinweisen auf Vertonungen (Debussy, Ravel, Boulez) usw., am oberen Schnitt gibt es Kaffeeflecken und die Beschichtung hat sich vorne und hinten am Rand gelöst, wie sonnenverbrannte Haut oder Wurstpelle, wem das Bild näher ist. Ein Antiquar würde das Buch eine Sekunde in der Hand wiegen und dann ohne Zögern in die Tonne werfen. Und dabei sind doch eigentlich die vermasselten Bücher die wertvollen, wenn man den Wert von Büchern an der Zeit misst, die jemand mit ihnen verbringt. Eselsohren, hab ich vergessen.
Ich habe mir einen Spaß daraus gemacht, der Spur der Knicke nachzugehen: Der erste Knick befindet sich auf Höhe der Seiten 80/81. Dort stehen die Gedichte „Sainte” („Heilige”) und „Toast funèbre” (was sich vielleicht mit „Traueransprache” wiedergeben lässt, wobei man nicht vergessen sollte, dass ein Toast ein Trinkspruch ist … Und diese Art des Trauerns gefällt mir ja ganz gut, wo man zwar gedämpfter Stimmung ist, weil man einen lieben Menschen verloren hat, aber gleichzeitig auch Lust hat auf eine Runde Kegeln oder etwas in der Art). Auf der ‚Rückseite‘ des zweiten Knicks, S. 200/201, steht das Gedicht „A un poète immoral”, eines der Jugendgedichte Mallarmés, das er später verworfen hat, er hat es als Neunzehnjähriger geschrieben, Achtzehneinundsechzig. Man verwirft ja wahrscheinlich so ziemlich alles, was man mal gemacht hat, und zu Recht. Darf aber nicht vergessen, dass es dieser ganze Plunder von verworfenen Sachen ist, die einen am Ende ausmachen.
Aber ich komm vom Thema ab.
Was war das Thema?
‚Cadavre Exquis‘ – man lernt doch nie aus! Das war so ein Standard-Zeitvertreib, als ich als haltloser Jugendlicher in Gruppen herumhing, am Niederrhein gewöhnlich KJG – Katholische Junge Gemeinde. Es hieß da aber nicht so unkatholisch.
‚kann man doch mal machen, man, frau, mensch, stört nicht den Lesefluss.‘ – mich kannst Du damit jagen. Bei ‚eine-einer fängt mit dem Hals an‘ sträubte sich mir schon das Nackenfell. Ich halte mich an die Kategorie ‚Mensch‘ und schließe, wenn nötig, aus dem Zusammenhang, ob Mann oder Frau und alles dazwischen und drumherum; denn erstens stört es doch den Redefluß, dieses ‚eine-einer‘ und zweitens ist es wie vorverdaut serviert, wo ich mir das Kauen selber zutraue.
Immer noch nicht Mallarmé gelesen.
War die portraitierte Ausgabe antiquarisch erstanden? ‚die Beschichtung hat sich vorne und hinten am Rand gelöst, wie sonnenverbrannte Haut oder Wurstpelle‘ – beschreibt’s genau. Das passiert bei den antiquarisch erstandenen Johnson Bänden von den Jahrestagen auch. Immer nach der Lektüre bleibt wieder ein glänzendes Fetzelchen vom laminierten Einband irgendwo zurück – auf dem Knie, auf dem Teppich, der als Tischdecke dient …
Noch eine letzte Frage: Hast Du was getrunken? (just kidding)
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Nur kurz: Das Buch habe ich bei ZADIG in der Linienstraße gefunden (http://www.zadigbuchhandlung.de/index.php). Die Umschlagillustration ist von Anne-Marie Adda.
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