Patrick Modiano, Gräser der Nacht

Mich verblüfft immer die Kategorisierung von Bibliotheksbüchern:
„Besondere Schicksale”, „Liebe”, „Frauen”, „Gesellschaftsroman”.
Auf Gräser der Nacht (2012, deutsch 2014) steht „Liebe”. Modiano erzählt darin eine Episode aus der Zeit, als er Anfang 20 war und in eine unwesentlich ältere Frau namens Dannie verliebt war, die er später von einem Tag auf den anderen aus den Augen verlor. Diese Dannie, von der wir wenig mehr erfahren als dass sie eben Dannie heißt (oder sich so nennt) und gern Cointreau trinkt – immerhin dies Detail: sie stammt angeblich aus Casablanca, ist aber tatsächlich Pariserin -, gehört zu einem Zirkel von Marokkanern, die in einem Pariser Hotel und verschiedenen (Nacht-) Cafés abhängen und eine Aktion planen, von der der Erzähler Jean nichts ahnt.
Im weiteren Verlauf der Handlung bleibt ein Mensch auf der Strecke, aber dies, wie alles andere, ist so beschrieben, als bestünde der Tote aus alten Stoffresten und seine Puppenleiche läge auf einer Lache aus roten Seidenbändern (tatsächlich geht der Erzähler nicht so nah heran).

Modianos Prosa ist wie ein schlaffer Händedruck. Er schreibt souverän oder routiniert, je nachdem. Gräser der Nacht hat den erstaunlichen Umfang von 170 Seiten. Man könnte das Buch, ohne Verlust an Handlung, auf ein Zehntel kürzen, nur wäre es dann kein Roman mehr, sondern ein Petit Four, oder ein Nichts.
Dennoch hat es natürlich seine Bewandtnis damit, dass die Geschichte Romanlänge hat. Modiano braucht diese Strecke, um die Atmosphäre von Traum und Irrealität, die er selber empfindet, wenn er auf sein Leben zurückblickt, auf den Leser zu übertragen. Sein Erzählen verläuft nicht in gerader Linie, sondern in konzentrischen Kreisen (um eine verschwiegene Mitte). Man könnte seine Technik, deren Ziel Unschärfe ist, genau analysieren, und sicher kann man sie auch bewundern.
Mich aber hat sie gelangweilt, ich finde das Ergebnis banal.

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