Krümel

Übrigens ist der Spatz, der sich, wie an anderer Stelle berichtet, in den Laden vorgewagt hatte und von seiner an der Schwelle verharrenden Verwandtschaft zurückgepfiffen wurde, draußen von einer Nebelkrähe gerissen worden.
(Die Nebelkrähe und andere Krähenvögel finden sich sehr schön beschrieben und abgebildet in dem Band Krähen von Cord Riechelmann. – Bei der Gelegenheit gleich der Hinweis auf die für Oktober angekündigte Baum-Reportage Das Leben der Mächtigen. Reisen zu alten Bäumen von Zora del Buono.)

9 Kommentare zu „Krümel“

  1. Das ist jetzt nicht spitzfindig gemeint: Sagt man bei Vögeln nicht, sie schlagen ihre Beute? Eigentlich schreibe ich das nur, da ich mich gerade in der Frage verheddere, ob Greifvögel demnach nicht besser Schlagvögel genannt werden müssten – oder aber doch Reißvögel? Und die Krähen als räuberische Singvögel nicht besser Singgreifer / Singschläger / Singreißer?

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    1. Du hast Recht, und doch ist der Name Greifvogel passend, da die jägersprachliche Bedeutung von „schlagen” laut Herrn Duden „(Beute) greifen und töten” ist, s. hier. Der Vorgang ist korrekt beschrieben, ich hab’s gesehen – und schnell weggesehen.
      Ich verbessere „gerissen” jetzt trotzdem nicht: eine kleine Übung für mich, fünf gerade sein zu lassen. („Zurückpfeifen” ist auch kein vogelkundlicher Ausdruck … Wäre die Sprache immer genau – sie würde nicht funktionieren.)

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      1. Das wäre glatt der Stoff für eine heimtümelnde Lehrgeschichte – „de lütsche Lünken“ und die böse Krähe, die sich den schnappt, der sich allein in die Welt aufgemacht hat. Gerade hier auf dem Lande sind die Krähen als Bösewicht-Vögel verschrien, man mag sie hier einfach nicht, dabei sind die Geschichten von Krähen-Rotten, die Kälbchen töten, die reinsten Märchen. Vielleicht steckt so ein tradiertes, wenn auch längst überflüssig gewordenes Ur-Unbehagen dahinter: Aasfressern darf man nicht trauen, die machen vor nichts halt. „Im Krieg gibt´s fette Krähen“, sagte mein Opa mal, ohne weitere Erklärung. Danach ging mir dann auf, dass der Hoppe-Hoppe-Reiter-Text womöglich auf nichts Anderes zurückgeht: Rabenvögel – die Geier der Ebenen – tummelten sich sicherlich auf jedem still gewordenen Schlachtfeld zwischen den vom Pferd geschossenen Reitern. Trotzdem hab ich die Schwarzmäntel gern und auch ihre Verwandten, die Elstern und die Häher. Ziemliche Charaktervögel!

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    2. Ich möchte diese Lehrgeschichte aber nicht schreiben … und Du wohl ebensowenig – aber Du würdest es gut machen! Es ist natürlich ein Problem, dass Du nicht an die Moral glaubst, die eine solche Geschichte vermitteln würde, da fällt dann gleich die Schreibmotivation flach. Aber innerhalb eines umfangreicheren Textes könntest Du’s doch bringen, als Figurenrede. Da kannst Du Deinen Opa auftreten lassen. Der von Dir wiedergegebene Satz ist eindrucksvoll und lässt, so wie Du es schreibst, eine Figur erstehen.
      Als Kind habe ich vor allem Saatkrähen gesehen, auch Elstern. Ein Freund von mir, zwanzig Jahre älter als ich, hatte als Kind einen zahmen Raben – beneidenswert! Er hat mir ein Foto gezeigt. Der Rabe saß zutraulich auf seinem Arm.

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      1. Wahrscheinlich gibt es in jeder Familie diese eine Figur, über die sich Bände erzählen ließen. Bei uns ist das eindeutig der Opa. Allerdings habe ich noch keinen erzählerischen Rahmen gefunden, in den der sich mit seinem sperrigen Format einfügen ließe.
        Ein zahmer Rabe! Dafür würde ich, so ich denn Derartiges besäße, iPad und Playstation sofort eintauschen. Was hätt ich als Kind um so was gegeben! Dohlen sollen sich ja von Natur aus leicht an Menschen gewöhnen lassen – hab ich mal selbst probiert, aber es wurde nichts draus (vielleicht zu viele Katzen daheim?). Die Frage aber bleibt, warum man zwar aus Wölfen Hunde, aus Wildkatzen Hauskatzen, aus Wildrindern Kühe heranzog, die Hühner, Enten, Gänse und Tauben die Höfe bevölkern ließ, aber die Rabenvögel in Sachen Domestizierung völlig überging?

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      2. Dat weet ik niet (warum Raben nicht domestiziert wurden). Vielleicht fehlte der landwirtschaftliche Nutzen. – Katzen können Mäuse in Schach halten: ganz sinnvoll auf einem Hof. Aber wozu taugen Raben?
        Ansonsten hast Du natürlich Recht, dass in jeder Familie romanhafte Personen existieren, oder es sie früher gegeben hat.
        Es muss ja keine realistische Geschichte sein. Du könntest auch von einem Riesen erzählen, oder eine Tiergeschichte schreiben (und zeichnen). Oder Du nimmst das rahmensprengende sperrige Format der Hauptfigur von Anfang an mit in die Form, oder Du teilst sie in drei Personen auf, oder oder. – In Sibylle Lewitscharoffs Consummatus gefiel mir sehr gut der Trick, dass die (sämtlich verstorbenen) Personen, die im Gedankenmonolog des Lehrers aufkreuzen, ihm von jenseits des Grabes dazwischenquatschen.
        Dir wird schon was einfallen!

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  2. „Unstete Fahrt! Habt acht, habt acht! / Die Welt ist voller Morden.” Gut, dass Du schnell weggeschaut hast. Wie unser rasches Weiterschalten, wenn uns Tierfilme dazwischen kommen, diese Zelebration sich gegenseitigen Zerreißens (siehe auch Susan Sontag, Das Leiden anderer betrachten). Lebewohl, Du einziger Spatz. (Er war, dank Deiner, ja eine Persönlichkeit, nicht?)

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    1. Von wem ist das Zitat? – Tierfilme habe ich lange nicht gesehen, erinnere mich aber sehr gut, dass es darin beileibe nicht nur Tötungsszenen gibt, sondern viele putzige, drollige Ansichten (ich denke z. B. an Die Wüste lebt von Walt Disney). Andererseits, dass Schäffer und seine Frau (in Mord mit Aussicht) ausschließlich Tierfilme gucken, bekommt so eine zusätzlich gruselige Note.
      Danke für den Buchhinweis. Die Frage, ob die Bebilderung des Leids helfen kann, das Leid zu mildern, ist bedenkenswert. Ich bin unentschieden; wahrscheinlich gibt es zu viele Bilder – mir sind es zu viele. Andererseits ist unbestritten, dass Bilder z. B. aus dem Vietnamkrieg mit dazu beigetragen haben, die Friedensbewegung zu stärken, was wiederum gut ist. Ich denke aber auch an Luftaufnahmen aus neuerer Zeit von irakischen Lastkraftwagen, in denen angeblich Giftgas lagerte, oder andere weapons of mass destruction, mit denen sich die Nordamerikaner ja sehr gut auskennen – unblutige Bilder, die die fadenscheinige Begründung für Angriffskriege lieferten.
      Das Geschrei der Familienangehörigen um den Opfer-Spatz war sehr groß … Es sind aber im allgemeinen robuste, erfinderische, umsichtige und kecke Vögel, um die ich mir überhaupt keine Sorgen mache. – Neulich saßen mein Westbesuch und ich in einem türkischen Café in Kreuzberg und sahen, dass ein einzelner Spatz sogar hineinhüpft kam, um vom Steinboden Krümel aufzupicken.

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  3. Ohne nachzugucken, hätte ich schon sagen können, dass es ein Zitat aus dem Lied der Wandervogel-Zeit ist: „Wildgänse rauschen durch die Nacht mit schrillem Schrei nach Norden”. Lesenswert, was eine gewisse Online-Enzyklopädie (wie E* es nennt) weiter dazu zu sagen hat. An die Schäffers hatte ich auch gedacht. Allerdings: „… bekommt so eine zusätzlich gruselige Note”. Bei Deiner klassisch eröffneten Anekdote „Neulich saßen mein Westbesuch und ich …” fällt mir spontan das Lied ein: „Ein Mops kam in die Küche”.

    Vivat dem Spatzenproletariat!

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