Itinerar

Mein Archivar hat mir einen Beitrag aus meinem früheren Blog Monnier Beach geschickt, den ich hier re-poste. Damals war ich noch als freier/unfreier Buchhändler tätig – allerdings in einer Gegend, „wo der Buchmuffel die Landschaft prägt” (so Stefan Weidle, einer meiner Gäste). Dieser demographische Umstand hat dann mit dazu beigetragen, meiner ruhmreichen Unternehmung, deren Wirken von der örtlichen Bevölkerung allerdings verschlafen wurde, den Garaus zu machen. – Denen, die mich unterstützt haben, meine langwährende Dankbarkeit! – Immerhin fand diese schöne niederrheinische Buchwelt ein feierliches Ende, mit einer von Denis Scheck moderierten Lesung Felicitas Hoppes aus ihrem Roman Iwein Löwenritter, damals im Hotel Zum Goldenen Löwen. War prima.

Jetzt aber zu

Thomas Kling Itinerar

Ein super Buch! Schmissig, kampflustig, von blitzender Intelligenz,
höchst anregend, herzstärkend – ein Fressen für Sprachbegeisterte.
Anders als der lateinische Titel und die unpopuläre Aufmachung vermuten
lassen (unifarbenes Cover mit platschiger Schrift), ist das hier kein
Minderheitenprogramm, denn neben seiner sprachkünstlerischen Begabung
besitzt Kling auch, und nicht zuletzt, die Gabe des Entertainers.

Neben Texten zur Sprachinstallation – Klings Weiter- und Neuentwicklung
dichterischen Sprechens in der Öffentlichkeit – stehen Essays zu einer
frühen Performance Hugo Balls, zur Ars Poetica des Horaz („Römische
Mitteilung”), zum Slang (Umgangs-, Gauner-, Fachsprache, Dialekt) und
zum Hermetismusbegriff („Hermetisches Dossier”), der nicht erst seit den
90ern dazu verwendet wird, moderne Dichtung als esoterisch,
unverständlich und letztlich sinnlos zu brandmarken. Kling betont
demgegenüber die kommunikative Absicht des Dichtens: „Das Gedicht baut
ja auf Begegnung …”.

Mein 2002 gekauftes Exemplar stammt noch aus der ersten Auflage von
1997. Kling wäre der letzte, der sich über die schwache Position des
Gedichts (und seiner Poetik) im Lektürehaushalt der Leser aufregen
könnte: „Ist es schlimm, daß das Gedicht, das Orchideenfach der
Literatur, zu jedem Zeitpunkt der Geschichte Orchideenfach war? Ist das
schlimm?” Ich als Buchhändler darf mich aber doch darüber wundern, daß
das so Leichtfüßige wie Blei im (Suhrkamp-)Regal liegt. Schlägt da der
Strukturwandel im Buchhandel durch? mottz

[26.1.2007]

2 Kommentare zu „Itinerar“

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