Am liebsten nichts

Der wahnsinnige Kurznachrichtendienst Twitter führt mir deutlich vor Augen, dass das Internet ständiges Lautgeben verlangt, oder wenigstens Präsenz. Das geht mir auf die Nerven. Ich möchte nicht unausgesetzt hör- und sichtbar sein. Daher habe ich nach meinem Facebook-Account (im Februar) nun auch meinen Twitter-Account gelöscht, und wahrscheinlich werde ich schließlich auch das Blog erleichtert zu den Akten legen, denn, ehrlich gesagt, das meiste von dem, was ich schreiben könnte, scheint mir überflüssig, und das, was ich bereits geschrieben habe, möchte ich – mindestens – kürzen. Schreiben kann ich ja weiter, aber muss das jemand wissen? Und muss es überhaupt sein, Schreiben, für mich?
Kurzum, ich lerne gerade, dass das Internet nicht mein Medium ist, auch wenn ich es im Zusammenhang meiner Tätigkeiten täglich nutze.
Meine Vorliebe gilt der verschwiegenen analogen Welt, dem stillen oder halblauten Lesen, dem Kaffeetrinken, Rauchen, Musikhören, der Begegnung mit einzelnen Menschen, Tieren, Naturdingen. – Als ich neulich ein Wort in einem Wörterbuch nachschlug, dachte ich, dass dies eine alte Kulturtechnik ist: in einem Wörterbuch nachschlagen. – Es hat mir auch Spaß gemacht, als ich in Ferien war, Postkarten zu schreiben. (Einst schenkte mir meine Freundin Simone einen Anrufbeantworter und meinte ironisch, meine Ansage wäre wahrscheinlich: „Ich bin gerade nicht zu Hause, bitte schreibt mir eine Postkarte”, aber ich hatte ihn gar nicht in Betrieb genommen. Später schickte sie mir die Bedienungsanleitung: „Eben fiel mir beim Aufräumen dies in die Hand.”)
Das käme mir vergleichsweise wertvoll vor: Dem ausufernden Maschinengeschriebenen ein begrenztes Handgeschriebenes beizumischen, wie in alten Zeiten.

19 Kommentare zu „Am liebsten nichts“

  1. Danke muetzenfalterin. Ja, mal sehen, an den Rändern, den Listen, kann ich ja in jedem Fall weiterbasteln, und in größeren Abständen kommt wohl auch, wie bisher, ein Text, auch wenn mir mein Tun (meist Nichttun) fragwürdig ist. Wahrscheinlich gehört das dazu.

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    1. Aparte Aufzählung: Eis, Fleisch, Zoo.
      Stimmt, Veganer muss ich nicht werden (oder Fructarier), und doch: Purismus, nicht im Sinne von Sprachpflege wohlgemerkt, macht mir Spaß, das Weglassen und Seinlassen. Es ist mir alles zu viel Flitter, zu viel Gebimmel und Gewimmel.

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  2. „Sollen die Dichter das Recht und die Freiheit besitzen, zu Grunde zu gehen! Wer einen rettet, ohne dass er es will, der handelt so wie ein Mörder.“ – Sei Dein eigener Mörder, rät Räuber

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    1. Ei, das ist raffiniert! Da muss ich ja erst mal, in Hunde- oder Katerart, den Talg aus meinen Gehirnwindungen schütteln, damit mein Denken auch die Kurve kriegt, puh! Da nun, ums Eck, fein aufgestellt, das Schild: Durchbeißen. Weitermachen. Oder so ähnlich, denn die Schrift schaukelt ein bisschen. Sprachwitz dankt.

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  3. Ich hab ein halbes Dutzend Beiträge für mein „studio4einhalb” in Kladde und krieg die Kurve nicht …
    Muss ich erst ein ZEN-Seminar machen oder was? Frage an den großen Schreib-Guru …
    lg T.

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    1. Du machst Witze! Ich sehe mich angesprochen, aber unpassend tituliert. Deine Frage kann ich trotzdem beantworten, und keineswegs besser als Du selbst es könntest: Du musst kein ZEN-Seminar besuchen, es genügt, das Bremsklötzchen wegzunehmen.

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  4. Tobias Herrmann hat einen Link geteilt.
    vor 8 Stunden
    Kluge Gedanken, was macht das mit uns?
    Am liebsten nichts
    denkmuff.wordpress.com
    Der wahnsinnige Kurznachrichtendienst Twitter führt mir deutlich vor Augen, dass das System Internet ständiges Lautgeben verlangt, mindestens aber Präsenz. Das geht mir auf die Nerven, weder möchte …
    Gefällt mir · · Hervorheben · Teilen

    Rolf Eickhoff gefällt das.
    Rolf Eickhoff … eigentlich sollten wir uns löschen, und oldschoolmäßig telefonieren oder hin und wieder sogar mal sehen. Ist vor allem hammermäßig, wieviel Energie dadurch verschwendet wird auf allen Ebenen …
    vor 5 Stunden via Handy · Gefällt mir

    Tobias Herrmann … jeden Tag eine Postkarte und dann irgendwann eine Galerie mieten und die Wände zeitlich geordnet mit Postkarten zutapezieren – für die jetzige Generation „echt strange” [sträintsch]
    vor einigen Sekunden · Gefällt mir
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  5. ach ich denke, dass die Freude an den analogen dingen deshalb so fein ist, weil sie ein ausgleich zur digitalen welt sind. schwört man der digitalen welt komplett ab (was man so ganz eh kaum tun kann, außer man verschanzt sich in einer hütte auf einer alm oder so) ist die Freude an den schönen analogen dingen vielleicht auch nicht mehr so schön.

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    1. Ja, das stimmt wohl. Ich möchte der digitalen Welt auch gar nicht abschwören, sie hat ihre unbezweifelbaren Vorzüge, aber ich möchte ihren Herrschaftsbereich eindämmen – die ’neuen‘ Techniken kommen ja nicht unschuldig zu den alten dazu, sondern murksen sie ab, so dass sich statt der potentiellen Vielfalt z. B. an Kommunikationsarten eine Einengung und, würde ich sagen, Verarmung ergibt.
      Ich bin ein Anhänger der Vielfalt und bedauere wirklich, dass lobens- und liebenswerte Dinge des täglichen Lebens wie [Passendes bitte einsetzen], bei den meisten wohl ohne ein Empfinden des Verlusts, verschwinden.
      Ein Beispiel: Früher wurden im Poststempel die Versandorte genannt, seit Jahren steht da (in Deutschland) nur noch „Briefzentrum 4” oder „Briefzentrum 7” – wie nüchtern!
      Oder: Früher ließen sich in den Zügen die Fenster herunterschieben. Herrlich, die Arme auf dem Rahmen zu kreuzen, das Kinn auf die Hände zu legen und den Fahrtwind die Haare durchwuscheln zu lassen! – tempi passati.

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  6. Meine Kinder mussten die Digitaluhr VOR dem alten, analogen Ziffernblatt lernen. Der Beispiele sind ja so viele….
    (Ich besitze und benutze übrigens einen alten Aufziehfüllfederhalter von Pelikan sowie einen wunderbar in der Hand liegenden KaWeCo).
    Und trotzdem: Bitte weiter tippen…

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    1. Tu ich (in gewohnt geringer Frequenz). – Einen Pelikan-Kolbenfüllfederhalter habe ich auch, einer der Gegenstände, an denen ich wirklich hänge, ich passe gut darauf auf.

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